Dokumentartheater – Peter Weiss‘ Viet Nam Diskurs

Dokumentartheater – Peter Weiss’ Viet Nam Diskurs

Peter Weiss’ Viet Nam Diskurs

“Diskurs über die Vorgeschichte und den Verlauf des lang andauernden Befreiungskrieges in Viet Nam als Beispiel für die Notwendigkeit des bewaffneten Kampfes der Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker sowie über die Versuche der Vereinigten Staaten von Amerika die Grundlagen der Revolution zu vernichten”. In der Vorgschichte führt Weiss durch das Altertum Vietnams, lenkt den Blick auf chinesische Fremdherrschaft, Kolonialisierung und japanische Okkupation. Mit der Ausrufung der “Demokratischen Republik Vietnam” im September 1945 geht Teil eins zu Ende. Er spielt auf einer Bühne, die auch geographisch Vietnam bedeutet: Hinten rechts ist China vorzustellen, links vorn liegt Laos, und der Süden ist an der Rampe. 15 Schauspieler – völlig entpersonalisiert, weil nummeriert -spielen die Geschichte Vietnams.

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Der zweite Part beginnt mit der Niederlage Frankreichs von Dien-Bien-Phu (1954). Schon der Krieg der Franzosen, meint Weiss, “wurde zu 78 Prozent von Amerika finanziert”; als Kennedy 1961 die US-Präsidentschaft übernahm, seien die USA bereits tief im “größten Geheimkrieg der Geschichte” engagiert gewesen. Der Geheimkrieg wird bei Weiss meist in amerikanischen Planungszentren und um einen sehr großen runden Tisch geführt. „Die Seitenpodeste sind zu einem großen Viereck in der Mitte des Vordergrunds zusammengestellt worden“, heißt es im Stück. Bekannte Politiker sammeln sich um diesen Tisch; wenn sie Historisches zitieren, steigen sie auf den Tisch, und wenn der amerikanische Außenminister Dulles nach London reist, geht er um ihn herum. (Vgl. Der Spiegel 24.07.1967) Weiss hat für den “Diskurs” weit über 100 Bücher gelesen; eine Bibliographie wird der Buch-Ausgabe beigefügt. Als Vietnam-Berater engagierte er zudem den Berliner Soziologie-Studenten Jürgen Horlemann. Der sogenannte Weiss – Gardist, Mitautor eines Vietnam-Buches, lebte beim Autor in Stockholm. Nach vollendetem “Diskurs” reiste Weiss — “Die Besitztümer der reichen Nationen sind verpestet von Aasgeruch” — mit Gattin Gunilla zur Erholung nach Kuba.

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Ende der 1960er Jahre war Horlemann wissenschaftlicher Mitarbeiter des Schriftstellers Peter Weiss, dem er Material für dessen Theaterstück „Viet Nam Diskurs“ lieferte und Diskussionspartner war. Bis heute ist sein gemeinsam mit Peter Gäng verfasstes Buch „Vietnam. Genesis eines Konflikts“ (1966) im Suhrkamp Verlag in mehreren Auflagen erschienen..Peter Weiss (geb. 1916, gest. 1982), einer der führenden Repräsentanten des deutschsprachigen politischen Theaters, seit 1960 freier Schriftsteller in Stockholm, prangerte in seinem »Viet Nam-Diskurs«, der am 20. März 1968 an den Städtischen Bühnen der Stadt Frankfurt am Main in der Regie von Harry Buckwitz uraufgeführt wurde, den Krieg der USA gegen das Vietnam als Verbrechen an. Das Stück kam ohne individuelle Figuren aus, kollektive Helden (soziale, politische Gruppen) wurden einander gegenübergestellt. Grundlage des Stücks war der 1968 erschienene »Diskurs über die Vorgeschichte und den Verlauf des langandauernden Befreiungskrieges in Viet Nam als Beispiel für die Notwendigkeit des bewaffneten Kampfes der Unterdrückten gegen die Unterdrücker sowie über die Versuche der Vereinigten Staaten von Amerika, die Grundlagen der Revolution zu vernichten«.

Im Wintersemester 1972/1973 fand ein Proseminar an der Universität Würzburg unter der Leitung von Frau Dr. Flach statt, das sich mit dem Thema „Dokumentartheater“ befasste und in der dieses Stück über den Vietnamkrieg neben Hochhuts „Der Stellvertreter“, Enzensbergers „Das Verhör von Havanna“ und Heinar Kipphardts „Joel Brand“ behandelt wurde. Ein Referat von mir und der Koautorin H. E. Befasste sich mit dem Buch „Vietnam Genesis eines Konfliktes“ von Jürgen Horlemann und Peter Gäng, das dem Stück als Grundlage diente. Obwohl das Proseminar ein germanistisches war, ist das Referat historisch – kein Wunder, wenn es sich um Dokumentartheater handelt. Im Seminar prallte häufig eine DKP-Position auf eine CSU-nahe Position. Die Kampfhähne schenkten sich nichts. Beispiel: Ra. (CSU-nahe): „Jetzt hast Du gesagt, ich sei ein Faschist“ St. (DKP): „Das habe ich nicht gesagt!“

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Referat – Thema: Verarbeitung, Aufbereitung, Umwandlung, Gestaltung der Dokumente im Theaterstück „Vietnam Diskurs“

A) Geschichtlicher Überblick über die Entwicklung Vietnams nach Jürgen Horlemann, Peter Gäng: Vietnam Genesis eines Konflikts, Frankfurt 1968, ed. Suhrkamp

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I. Chinesische Fremdherrschaft und anschließender unabhängiger, jedoch von China  weiterhin beeinflußter Nationalstaat (S. 9 -11)

Das im unteren Jangtse – Tal gelegene Reich der Viet Völker wurde 333 v. Chr. Von den Chinesen erobert. Die Vietnamesen wichen nach dem Süden aus, wo sie in den Provinzen Kwangsi, Kwangtung, Tonking und Annam neue Fürstentümer gründeten (Boach Viet). Die nördlichen Stämme wurden schließlich doch völlig sinisiert, wohingegen die im Süden lebenden Stämme der Ngeou den ersten, 196 v. Chr. von China anerkannten Vietstaat bildeten. Dieser wurde schon bald (111 v. Chr.) von der chinesischen Han – Dynastie annektiert.Während der über 1000 jährigen chinesischen Fremdherrschaft (erst 939 n. Chr. Wurde Vietnam formell unabhängig), der sich die Vietnamesen durch Erhebungen und weitere Expansion nach dem Süden zu entziehen versuchten, übernahmen sie die soziale Struktur Chinas und seine hoch entwickelte Kultur. Der chinesische Einfluß blieb auch nach der nationalen Unabhängigkeit im 10. Jahrhundert vorherrschend, die Volkssprache bestand zur Hälfte aus chinesischen Wörtern, das Vokabular der Gebildeten sogar zu 80 %. Im 15. Jahrhundert bildeten sich die heutigen Grenzen heraus und Vietnam entwickelte sich zum mächtigsten Land Ostasiens.

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II. Die koloniale Eroberung durch Frankreich

Als 1860 England und Frankreich im sog. Opiumkrieg China zwingen wollten, sich dem westlichen Einfluß zu öffnen, landeten ihre Schiffe auch an den Küsten Indochinas (Laos, Kambodja, Vietnam). Die Franzosen betrachteten die Besitznahme Indochinas als Voraussetzung für die Eroberung Chinas. Die Kolonie Indochina (Kambodja war in den Jahren 1884 – 86, Laos 1894 -96 erobert worden, China verzichtete 1884 formell auf Vietnam) entwickelte sich zur profitabelsten französischen Überseebesitzung. Durch die Anlage großer Kautschuk-Plantagen und die Vergrößerung der Reisanbaufläche in Cochinchina (südl. Teil von Vietnam) und durch die Ausbeutung der Bodenschätze in Tonking gewann die französische Wirtschaft billige Rohstoffe. Zugleich erreichte die Kolonie für den Kapital- und Konsumgüterexport große Bedeutung. Die französischen Investitionen berücksichtigten die Bedürfnisse Vietnams in keiner Weise, sondern waren nur auf möglichst hohe Profite abgestellt, die sofort aus dem Lande abgezogen wurden. Dieses System verhinderte die Entstehung eines vietnamesischen Binnenmarktes und einer eigenständigen Industrie und somit auch das Aufkommen eins vietnamesischen Bürgertums. Das ständige Defizit im vietnamesischen Staatshaushalt nötigte die Regierung zu immer höheren Steuerforderungen. Die Bauern waren bald gezwungen, ihr Land an finanzkräftige Grundherren zu verpfänden. So geriet die Masse der Bevölkerung in immer größere Abhängigkeit von den Großgrundbesitzern, die immer mehr Land beherrschten. Den 9,6 Millionen Proletariern standen 9000 Angehörige der Oberschicht gegenüber, die pro Kopf ca. 850 mal soviel verdienten wie eine arme Familie.

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III. Die Organisation des Widerstandes

a) Die bürgerliche Bewegung

Etwa bis zum Jahre 1920 waren die politischen Oppositionsgruppen in Vietnam von der bürgerlich-

demokratischen Reformbewegung in Asien, insbesondere der Kuomintang SunYat Sens (Chinesische „Nationale Volkspartei“, 1912 nach dem Sturz des Kaisertums von Sun Yat Sen mit nationalem und sozialem Programm gegründet) beeinflußt worden. Die bürgerliche Opposition hatte in Vietnam mit der „Rebellion der Gebildeten“, einem sich über 10 Jahre erstreckenden und 1896 niedergeschlagenen  Volksaufstand begonnen. Es entstanden danach noch einige Bewegungen, die aber  insgesamt an ihrem mangelnden politischen Einfluß scheiterten. Das zahlenmäßig  schwache Bürgertum erkannte nicht, daß es nur mit der Masse der geknechteten  Bauern den Kolonialherren wirksam entgegentreten konnte. Von der Oberschicht  konnte der bürgerliche Widerstand keine Unterstützung erwarten, da diese dieselben Interessen wie die Franzosen verfolgten.

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b) Die sozialistische Bewegung (S. 24 – 36)

Als Ho Chi Minh erkannt hatte, daß die von ihm 1919 bei der Versailler Friedenskonferenz im Sinne der Wilsonschen 14 Punkte geforderte nationale Selbstbestimmung und rechtliche Gleichstellung Vietnams mit den europäischen Völkern deren Interesse zuwiderlief, schloß er sich der 1920 gegründeten kommunistischen Partei Frankreichs an. Er zeigte damit die Richtung an, die der Befreiungskampf des vietnamesischen Volkes nehmen sollte. Ausgehend von den Folgen der Weltwirtschaftskrise beschlossen die verschiedenen sozialistischen Parteiführer Vietnams (die sozialistische Bewegung war vor 1930 in drei verschiedene Parteien zerfallen) 1930 die Gründung der „Kommunistischen Partei Vietnams“. In dieser Zeit herrschten in Vietnam Hungersnöte und Seuchen sowie Massenarbeitslosigkeit.Die Bevölkerung wurde dadurch sozialistischen Vorstellungen zugänglich. Unter der Anleitung von kommunistischen Kadern begannen bewaffnete Aktionen gegen Großgrundbesitzer ; die Aktionen scheiterten jedoch allesamt an der militärischen Übermacht der Kolonialherren. Diese Niederlagen fügten der Kommunistischen Partei großen Schaden zu. Als Konsequenz daraus richtete sich ihr Ziel für die Zukunft auf langwierige Aufklärungs – und Propagandaarbeit. Sie baute eine Untergrundorganisation auf und bereits innerhalb eines Jahres kam es zu Masseneintritten in die roten Gewerkschaften und Bauernvereinigungen. Die nach Lenin ausgerichtete Kommunistische Partei ging 1933 ein Bündnis mit den Trotzkisten und den Unabhängigen Revolutionären Nationalisten ein und konzentrierte sich in diesem Stadium auf legale Arbeit (Teilnahme an den Gemeinderatswahlen). Dies Einheitsfront zerbrach 1937 an divergierenden Vorstellungen über den Hauptgegner des vietnamesischen Volkes: Japan, das seit 1923 einen Krieg mit China führte und ihn auf Vietnam auszuweiten drohte oder Frankreich. 1939 wurden die Trotzkisten, die das Bündnis der leninistischen Partei mit Frankreich gegen das faschistische Japan verurteilten und beide als Gegner bezeichneten, durch Verhaftungswellen ausgeschaltet. Während der japanischen Okkupation zog sich die Parteileitung in den Süden zurück und änderte ihre Taktik (jetzt gegen Japan und Frankreich).

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   Der bewaffnete Widerstand: Guerillakrieg (S. 37 – 73)

a) Der 1.Indochinakrieg 1940 – 1945

1940 wurde den Japanern von den Franzosen das Recht eingeräumt, ganz Indochina für ihre Truppen als Aufmarschgebiet zu benutzen. Daraufhin legte Ho Chi Minh 1941 die für den kommenden Partisanenkampf gültigen Richtlinien fest. Hiermit waren die Voraussetzungen für eine nationale Einheitsfront aller Schichten und Klassen geschaffen: Unter dem Namen Viet Minh wurde sie im Juni dieses Jahres ins Leben gerufen. Die Strategie der Viet Minh bestand darin: sie führte einen Guerillakrieg gegen Japan, sie bekämpfte die französische Kolonialmacht, sie unterstützte die Koumintang und die USA, und erhielt Hilfe von den USA und China. Im August 1945 war das Land von den Japanern befreit.

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b) Der 2.Indochinakrieg 1946 – 1954

Im September 1945 konstituierte sich die Demokratische Republik Vietnam als bürgerlich-demokratischer Staat. Frankreich zeigte sich jedoch nicht gewillt, seine ehemalige Kolonie aufzugeben. Schon bald ersetzte es die Viet Minh- Verwaltungskomitees durch „zuverlässige“ Vietnamesen und zerstörte die Republik als unabhängige politische Einheit. Daraus entstand der 2. Indochinakrieg. Obwohl militärische eindeutig im Nachteil, entwickelte die Viet Minh gemäß Mao Tse Tungs „Fragen der Strategie des Partisanenkrieges gegen die japanischen Eindringlinge“ und „Über den lang dauernden Krieg“ eine Taktik, der die französischen Streitkräfte auf die Dauer nicht gewachsen waren. 1948 machten die Franzosen den von den Viet Minh abgesetzten Kaiser Bao Dai zur Zentralfigur einer Gegenregierung zu der Regierung Ho Chi Minhs. Dieses Vorgehen unterstützten die USA, die außerdem die französischen Kriegsausgaben zu 2/3 finanzierten. Seit dem Fall der Festung Dien Bien Phu stand die militärische Niederlage der Franzosen fest.

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Vom kolonialen zum antikommunistischen Krieg (S. 68 – 73)

Der Sieg der Kommunisten unter Mao Tse Tung in China 1949, der einen Schock in der amerikanischen Öffentlichkeit auslöste, bewirkte einen Schwenk in der Außenpolitik der USA. Aus der anfänglich antikolonialistischen Haltung, aus der heraus man die Viet Minh unterstützt hatte, wurde unter dem Einfluß der Revolution in China eine Kommunismusfurcht, die zur Unterstützung Frankreichs und der Schattenregierung Bao Dais führte. Der Kolonialkrieg zwischen Frankreich und Vietnam erfuhr durch das immer stärker werdende Engagement der USA eine Inter-nationalisierung und zugleich eine Ideologisierung. Für die Außenpolitik der USA wurde Vietnam zum Paradebeispiel des Kampfes der „freiheitlichen“ westlichen Demokratien gegen den „imperialistischen“ östlichen Kommunismus. Der ehemals verurteilte Krieg Frankreichs wurde jetzt von amerikanischer Seite als gerechter Kampf gegen die kommunistische Aggression interpretiert, der die volle Unterstützung der USA verdiente. Der Antikommunismus wurde die herrschende Ideologie, unter deren Deckmantel man reine Machtpolitik als Verteidigung gegen kommunistische Aggressoren, die jetzt überall gesehen wurden, deklarierte (Kalter Krieg). Denn Amerika gewährte Frankreich ja nicht finanzielle Hilfe- wie man dem amerikanische Volk weiszumachen versuchte – weil man den Vietnamesen ihre Freiheit (die sie unter französischer Herrschaft tatsächlich nie besessen hatten), erhalten wollte, sondern weil die USA ihre Vormachtstellung in der Welt von Rußland und China bedroht sahen und Vietnam als militärischen Stützpunkt in Indochina benötigten. Aus diesem Krieg führten die USA auch den Koreakrieg – so die Autoren. Als sich die französische Niederlage bei Dien Bien Phu abzeichnete und die USA ihre Chancen auf erfolgreiche Beendigung des Kriegs schwinden sahen, erwogen die französische und amerikanische Regierung sogar den Einsatz von Atombomben, deren durchschlagend Wirkung man noch von Hiroschima und Nagasaki in Erinnerung hatte. Dieser Plan scheiterte jedoch am Einspruch Englands. Stattdessen entschloß man sich zu Verhandlungen in Genf.

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Die Genfer Indochinakonferenz (S. 73 – 77)

Vom 26.April bis zum 21. Juli 1954 fand die Genfer Indochinakonferenz statt. Die wichtigsten Bestimmungen dieser Konferenz sind: Die Truppen der DRV ziehen sich nördlich des 17. Breitengrades, die französischen Truppen südlich davon zurück. Ausländischen Truppen und Militärpersonal wird die Stationierung wie auch die Lieferung jeglicher Art von Waffen untersagt. In den Umgruppierungszonen der beiden Parteien werden keinerlei Militärstützpunkte fremder Staaten errichtet werden. Die militärische Demarkationslinie am 17. Breitengrad ist eine provisorische Linie und darf keinesfalls als eine politische oder territoriale Grenze interpretiert werden. Im Juli 1956 werden unter der Kontrolle einer internationalen Kommission Wahlen stattfinden. Die zuständigen Behörden der nördlichen und südlichen Zone Vietnams sowie diejenigen von Laos und Kambodja dürfen keine individuellen oder kollektiven Repressalien gegen Personen oder deren Familienangehörige dulden, die während des Krieges in irgendeiner Form mit einer der Parteien zusammengearbeitet haben. Die Vertreter der Viet Minh lehnten es zuerst ab, den militärischen Konflikt ohne gleichzeitige politische Lösung zu beenden. Sie forderten sofortige Wahlen. Da nach amerikanischen Schätzungen mindestens 80% der Bevölkerung für Ho Chi Minh waren, hätte dies den Sieg der Viet Minh und ein einiges Vietnam als Folge gehabt. Unter dem Druck Chinas und Rußlands jedoch, die den französischen Vorschlag von Wahlen in zwei Jahren befürworteten, gab die Abordnung der DRV nach und unterzeichnete auch den Passus des Vertrages, der die vorläufige Teilung des Landes vorsah. Die Regierung Bao Dais legte gegen den Vertrag Protest ein. Auch die USA verweigerten ihre Unterschrift, aber legten sich in einer Zusatzerklärung weitgehend auf dieselben Bedingungen fest.

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Die Entwicklung in den beiden Teilstaaten (S. 78 – 101)

Nordvietnam (159.000 qkm, 12 Mio. Einw.)

Die Wirtschaft Nordvietnams befand sich nach dem Indochinakrieg in einer chaotischen Lage. Das Verkehrsnetz, Fabríken und Plantagen waren verwüstet und das Land stand am Rand der Hungersnot. Zur gerechten Verteilung des Besitzes wurde eine Landreform durchgeführt, wobei es zu vielen Ungerechtigkeiten kam. Der Unmut entlud sich 1956 in lokalen Bauernaufständen, die von der Armee niedergeschlagen wurden. 1958 setzte in Nordvietnam unter der Führung Ho Chi Minhs die eigentliche Kollektivierung ein, die eine rationelle Bewirtschaftung des Landes möglich machen sollte. 1963 waren ca. 88% aller Bauernfamilien in Kooperativen verschiedener Stufen zusammengefasst. Die Landwirtschaft machte große Fortschritte. Die Anbaufläche wurde vergrößert, immer größere Flächen des Lande wurden bewässert; es gelang, ohne die 250.000 Tonnen Reis aus dem Süden zurechtzukommen, die vor 1954 benötigt wurden. Die Industrialisierung Nordvietnams vollzog sich in mehreren Etappen (Jahresplänen). Die Elektrizitätserzeugung wurde verbessert, die Kohleförderung wieder aufgenommen und eine eigene Stahlproduktion in Angriff genommen.Im allgemeinen jedoch krankte die Wirtschaft immer noch an mangelnder Energieerzeugung und einem unzureichenden Verkehrsnetz. Im ganzen machte das Land erhebliche Fortschritte auf wirtschaftlichem und sozialen Gebiet.

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Südvietnam (170.000 qkm, 10 Mio. Einwohner)

In Südvietnam, wo die Ausgangsbasis für den Wiederaufbau nur wenig besser war als im Norden (das Mekongdelta ist größtes Reisanbaugebiet) nahm der französische Einfluß nach 1954 allmählich ab (Algerienkrieg). An die Stelle Frankreichs traten die USA. Kaiser Bao Dai, der sein Land von der französischen Riviera aus regierte, ernannte Ngo Dinh Diem zum Premierminister. Diem stammte aus einer katholischen Familie. Seine Anhänger waren vor allem die Katholiken, seine Verwandtschaft die Großgrundbesitzer und ein Teil der Armee. Die Großgrundbesitzer, die sich von der Regierung eine Wiederherstellung ihrer Feudalrechte erhofften und diese auch erlangten, waren der sichtbarste Beweis dafür, daß sich in Südvietnam im Vergleich zur Kolonialzeit wenig änderte. Um sein Menschenpotential zu vergrößern, lockte Diem in einer Propagandakampagne ca. eine Million Katholiken aus dem Norden in seinen Herrschaftsbereich (Umsiedlungsprogramm). Innenpolitisch mußte er sich zunächst gegen etliche Sekten durchsetzen; danach ließ er in einer manipulierten Volksabstimmung die Monarchie abschaffen und die Republik einführen. 1956 schrieb seine Regierung Wahlen für eine konstituierende Versammlung aus. Auch dieses Wahlen wurden gefälscht. Schon im Herbst 1954 begannen die USA, die Ausbildung der südvietnamesischen Armee zu übernehmen. Die Nachrichtenbeschaffung und die Ausbildung von Agententruppen, die ab 1957/58 nach Nordvietnam eingeschleust wurden, gingen an die CIA über. Zudem kettete massive amerikanische Wirtschaftshilfe (counterpart fond financing) Südvietnam immer stärker an den Koloß im Westen. 1958 machte die amerikanische Wirtschaftshilfe 62% des gesamten Staatshaushaltes aus. Die von der Bevölkerung heftig geforderte Landreform scheiterte am Widerstand der Großgrundbesitzer, so daß die großen Kautschukplantagen unangetastet blieben. Die landwirtschaftliche Produktion blieb weitgehend hinter dem Vorkriegsstand zurück.

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Ursachen und Beginn des dritten Indochinakrieges (S. 102 – 127)

Ursachen

Die legalen Möglichkeiten oppositioneller Gruppen wurden in den ersten Jahren der südvietnamesischen Republik ausgeschaltet. Schon 1954 unterwarf die Regierung die Zeitungen einer strengen Zensur. Bis 1958 waren alle kritischen Zeitungen verboten. Der Präsident wurde von der Verfassung mit dem Recht ausgestattet, eine zeitweilige Aufhebung „der Rechte der freien Wahl des Wohnsitzes, der Rede- und Pressefreiheit, der Versammlung und des Zusammenschlusses“ zu verfügen. Zur Durchsetzung der zahlreichen Verordnungen und Gesetze standen Geheimpolizei und zahlreiche geheimpolizeiähnliche Organisationen zur Verfügung. Außerdem waren sämtliche wichtigen Regierungsposten des Landes von Mitgliedern der Familie Diems besetzt. Gegen die Viet Minh – Sympathisanten begann die Kampagne unter der Parole: Denunziert die Kommunisten! Zahlreiche Säuberungsaktionen wurden durchgeführt, Verdächtige brachte man in Konzentrationslager, sog. „ Umerziehungslager“, sofern man sie nicht gleich umbrachte. Die Bevölkerung begann, Demonstrationen zu organisieren, die mit Waffengewalt niedergeschlagen wurden. Diese Aktionen hatten aber nur die Verschärfung der Militärdiktatur zur Folge. Während Diem die Macht seiner Familie etablierte, ging das Jahr 1956 ohne die in Genf vereinbarten gesamtvietnamesischen Wahlen vorüber. Unterstützt von den USA weigerte sich Diem, diese abhalten zu lassen. Als Begründung führte er an, die Zustände in Nordvietnam lieferten keinerlei Garantie für die Durchführung demokratischer Wahlen, außerdem fühle er sich nicht an das Genfer Abkommen gebunden, da es seine Regierung nicht unterzeichnet habe. Die nordvietnamesische Regierung hatte sich zu Wahlen unter internationaler Kontrolle bereiterklärt.

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Beginn des organisierten Widerstandes

1959 änderten die Viet Minh ihre Strategie. Sie hatte bis Ende dieses Jahres Gewaltlosigkeit propagiert und gestattete in der Folgezeit nur dann Gewaltanwendung, wenn die Selbstverteidigung es erforderte. Die Aufgabe der Widerstandskämpfer war eine dreifache: Sie mußten sich bewaffnen,sie mußten der Bevölkerung klarmachen, daß nur eine Ende der Herrschaft Diems eine Verbesserung der Verhältnisse herbeiführen konnte, sie mußten die Hauptexponenten der Regierungsgewalt beseitigen.. Allmählich setzte sich bei bei einem Großteil des Volkes die Überzeugung durch, daß nur durch Gewalt etwas gegen die Saigoner Regierung zu erreichen war.. So konstituierte sich im Dezember 1960 die Nationale Befreiungsfront. Ihr außenpolitische Konzeption (Programm der zehn Punkte) erwies sich zunächst als neutralistisch: Südvietnam sollte nach Wiedererlangung seiner Unabhängigkeit diplomatische Beziehungen zu allen Ländern gleich welcher politischen Verfassung aufnehmen; es sollte keinem militärischen Bündnis beitreten und von jedem beliebigen Land Wirtschafts- und andere Hilfe annehmen, sofern diese an keine Bedingungen geknüpft wird. Die Wiedervereinigung mit dem Norden, zuerst noch stark betont, wurde dann zweitrangig gegenüber der Notwendigkeit, die Diktatur Diems zu beenden. Die Nationale Befreiungsfront FNL (frz. Front Nationale de Libération), später meist als Vietcong bezeichnet, setzte sich nicht nur, wie die USA und auch die südvietnamesische Regierung immer wieder behaupteten, aus Kommunisten (Anhänger der Viet Minh) zusammen. Abgesehen von den alten Anhängern Ho Chi Minhs im Kampf gegen Frankreich gehörten ihr auch die Demokratische Partei, die Radikalsozialistische Partei, Vertreter anderer religiöser und politischer Gruppierungen (z. B. Buddhisten) und Vertreter der Bergstämme des westlichen Hochlandes an (Diem hatte diese Stämme, die nationale Minderheiten in Vietnam darstellten, durch völlige Mißachtung ihrer Rechte und große Säuberungsaktionen zu Feinden gemacht). Die DRV, die sich im chinesisch-sowjetischen Ideologiestreit auf die Seite Moskaus stellte unterstützte den sich organisierenden Widerstand im Süden zunächst nur mit propagandistischen Mitteln. Noch 1963 sprach sich Ho Chi Minh für einen Waffenstillstand zwischen FNL und der südvietnamesischen Regierung aus. Auch später, als Nordvietnam Soldaten und Waffen schickte, blieb sein Einfluß innerhalb der FNL begrenzt. Die FNL richtete ihre Strategie (Schema der drei Etappen) nach den Prinzipien des revolutionären Krieges aus, die von Mao Tse Tung entwickelt und in „Über den langdauernden Krieg“ niedergelegt worden waren.

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Der nationale Befreiungskampf (S. 128 -152)

Die eigentliche Verwicklung der USA in den Konflikt begann, als der Staley-Taylor Plan (der ursprünglich eine Liberalisierung und Dezentralisierung in Südvietnam forderte) in die Tat umgesetzt werden sollte. Dieser Plan hatte in Grundzügen folgenden Inhalt: Es galt, die Partisanen, die immer mehr Macht gewannen, von der Bevölkerung zu isolieren; dies sollte durch den Bau von strategischen Dörfern geschehen, in die ein Großteil der Bevölkerung umgesiedelt werden sollte. Die Gründe, die die Bevölkerung veranlassen konnten, mit der FNL zu sympathisieren, mußten beseitigt werden und die Partisanen mußten wirksam bekämpft werden. Dies sollte durch militärische Aufrüstung der Regierungstruppen geschehen, die auf Guerillataktik umgestellt werden sollten. Da es den südvietnamesischen Truppen an Einsatzbereitschaft und militärischer Erfahrung mangelte, mußten sich die Streitkräfte der Vereinigten Staaten mit Aktionen wie der Partisanen-bekämpfung befassen. Dörfer, die im Verdacht standen, Partisanen zu beherbergen, wurden mit Napalm bombardiert, Dschungelgebiete, die als Verstecke der Partisanen galten, wurden durch den Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln „entlaubt“. Die „Entlaubung“ beschränkte sich freilich nicht nur auf Dschungelgebiete, sondern traf auch landwirtschaftliche Nutzflächen, außerdem kamen Menschen und Vieh zu Schaden. Der Erfolg des Staley-Taylor Plans war gering. Das Programm der strategischen Dörfer scheiterte am Widerstand der Dorfbewohner.

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Der Sturz der Regierung Ngo Dinh Diems (S. 140 – 149)

Die sich häufenden Gewaltaktionen der Regierung Diems riefen immer heftigere Opposition in allen Kreisen der Bevölkerung hervor. 1963 potenzierte sich der Widerstand der schon lange benachteiligten Buddhisten. Durch Selbstverbrennungen machten sie die Weltöffentlichkeit auf die Willkürherrschaft der Saigoner Regierung aufmerksam. Diese Vorfälle machten Diem so unpopulär, daß sich die Regierung in Washington gezwungen sah, sich von ihrem ehemaligem Günstling zu distanzieren. Im November 1963 übernahmen die Militärs in einem von der Regierung Kennedy gebilligten Staatsstreich die Macht. Diem und sein Bruder, der das Amt des Geheimdienstchefs bekleidet hatte, wurden ohne Gerichtsverfahren hingerichtet. In der Folgezeit trat vorübergehend eine Liberalisierung ein, die jedoch von den sich befehdenden Generälen wieder rückgängig gemacht wurde. Die Regierungen wechselten ständig, bis schließlich ein Rat der Generale mit Nguyen Van Thieu als Staatspräsident und Nguyen Cal Ky als Premierminister die Macht übernahmen.

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Der amerikanisch – vietnamesische Krieg

Vietnam als Modellfall (S. 152 – 187)

Ein kommunistischer Sieg in Südvietnam, erklärte Robert McNamara 1965, „würde ferner das Prestige der Rotchinesen bei den blockfreien Staaten erheblich vermehren und die Position ihrer Anhänger überall stärken. In diesem Fall müßten wir uns darauf gefaßt machen, es mit der gleichen Form der Aggression auch in anderen Teilen der Welt aufzunehmen, und zwar überall dort. Wo eine Regierung schwach und das Sozialgefüge nicht gefestigt ist.“ Laut McNamara sind die USA also berechtigt, überall einzugreifen, wo soziale Unruhen entstehen und diese zu unterdrücken, da soziale Unruhen gleich kommunistische Aggression gesetzt werden. Hierbei spielt es keine Rolle mehr, ob die Aggression von außerhalb oder innerhalb des betreffenden Landes kommen. In Vietnam konnte man die Aggression Nordvietnams mit einem Neid auf das angeblich viel weiter entwickelte Südvietnam begründen.

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Eskalation des Krieges auf Nordvietnam, der totale Krieg (S. 174 ff.)

Bis Ende 1963 beschränkten sich unter der Kennedy – Regierung die direkten Aktionen gegen Nordvietnam auf sich häufende Sabotageunternehmen und die Entsendung von CIA-Agenten nach dem Norden. Diese Aktionen wurden unter Präsident Johnson forciert, um einen Angriff auf Nordvietnam vorzubereiten. Aus Anlaß der von den USA provozierten Zwischenfälle im Golf von Tonking, bei denen es zu einem Schußwechsel zwischen amerikanischen und nordvietnamesischen Schiffen kam, unternahmen die USA am 30. Juli 1964 einen großangelegten Vergeltungsangriff auf Nordvietnam. Der offiziellen Darstellung der USA- Regierung, sie habe nur auf eine kommunistische Offensive geantwortet, muß man entgegenhalten, daß schon vor dem 30. Juli amerikanische Kriegsschiffe nach Informationen aus Nord- und Südvietnam zwei Inseln im Golf von Tonking angegriffen hatten. Außerdem waren schon länger Pläne für einen Krieg gegen Nordvietnam ausgearbeitet worden (Rostow- Plan). Als weder China noch Rußland Anstalten machten, Nordvietnam zu unterstützen, begannen die USA im Februar 1965 mit dem Krieg gegen Nordvietnam. Die amerikanischen Streitkräfte wurden im Verlauf des Jahres auf 180.000 Soldaten verstärkt. Die „befreiten“ Gebiete der Nationalen Befreiungsfront erklärte man zu „freien Zonen“ für die amerikanischen und südvietnamesischen Streitkräfte. Nach vorgehenden Warnungen belegte die amerikanische Luftwaffe diese Zonen mit einem Bombenteppich. Während man sich früher damit begnügt hatte, im Dschungel angelegte Reisfelder der Partisanen kurz vor der Ernte zu zerstören, wurde jetzt ein umfassendes Erntezerstörungsprogramm ausgearbeitet. 1966 begann die amerikanische Luftwaffe , das mühselig angelegte Deich- und Bewässerungssystem des Deltas des Roten Flusses in Nordvietnam zu zerstören, was in diesem dicht besiedelten Gebiet zu Überschwemmungs- und Hungerkatastrophen führen mußte. Unter dem Vorwand, Laos (Ho Chi Minh Pfad) und Kambodja unterstützten Nordvietnam, dehnten die USA den Krieg auch auf diese Länder aus. Das amerikanische Militärpotential in Vietnam wurde ständig erhöht. Amerikanische Soldaten in Vietnam 1965 181.000

1966 400.000

1967 500.000

Die unaufhörlich steigenden Kriegsausgaben und die wachsenden Gefallenenziffern riefen den Widerstand der amerikanischen Öffentlichkeit hervor, die immer mehr die Zweifelhaftigkeit des amerikanischen Einsatzes in Vietnam erkannte.

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Martin Luther King gegen den Vietnamkrieg 1967 in Minnesota

© Minnesota Historical Society

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Wie sind diese historischen Fakten nun umgesetzt? Das Referat damals sagt dazu nichts aus, der Text zur Umsetzung wurde 2013 verfasst. Zur Umsetzung wurde damals mündlich referiert. Eine gewisse Entpersönlichung wird von Anfang an erreicht, indem die Schauspieler mit Nummern versehen sind. Der Autor Peter Weiss führt im Vorspann dazu aus:“ Das Stück benötigt 15 Schauspieler, die bezeichnet sind mit den Ziffern 1 bis 15, davon zwei weibliche mit den Ziffern 5 und 6. Zwei Helfer, A und B, tragen die jeweiligen Requisiten heran und wieder ab. Im Bedarfsfall können zwei weitere Helfer hinzugezogen werden.“1

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Ein Beispiel, wie die chinesische Eroberung inszeniert ist. Aus NO treten vor 1,2,3,4,5,6 als Volk der Viet in Van Lang und bilden eine geschlossene Gruppe

1 2 3 Wir Bauern Jäger und Fischer

vom Volk der Viet

leben im Süden des Flusses Jangtse

6          Unser König ist vermählt

mit der Tochter des Großen Seedrachens

4         Aus dem Meer geboren

wurden unserm König

hundert Söhne

1         Hundert Fürstentümer hat unser Land

Gruppe 9,10, 11, 12, 13 als Bauernsoldaten aus NW nähert sich drohend der Gruppe der Viet. 14, 15 als chinesische Krieger schließen sich den Bauernsoldaten an. 14 weist auf die Gruppe der Viet.

14       Das Land der Viet ist fruchtbar

ihre Flüsse sind reich an Fischen

Aggressive Bewegung der Gruppe der chinesischen Bauernsoldaten. Die Gruppe der Viet in Verteidigungsstellung.

2         Die Armeen der Wu

bedrohen unser Land

Gruppe der Bauernsoldaten in heftiger Bewegung in die Gruppe der Viet, die weit auseinanderweicht.

4 5 6   Die Armeen der Wu

besetzen unser Land

2        Sie nehmen uns die Ernte weg

1        Sie fordern uns die Fische ab

4        Sie plündern unsre Scheunen

3        Wir sollen Dienst tun in ihrer Armee

5         Unsre Fürsten sind dem Feind nicht gewachsen

4         Der Feind hat bessre Waffen

Die Viet sammeln sich zu einer dichtgeschlossenen Gruppe. In einem Halbkreis hinter ihnen in N formieren sich die Bauernsoldaten.

3          Eher verlassen wir unser Land

als daß wir uns unterwerfen

4          Hier liegen unsre Vorväter begraben

6          Die Geister der Ahnen werden uns begleiten

4 5       Mit unsern hundert Fürsten ziehen wir nach Süden

2 3      Wir werden ein Land finden mit einem großen Strom

1         Wir werden ein reiches und fruchtbares Land finden 2

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Zu den Abkürzungen meint Weiss in der Vorbemerkung: „ Die Bewegungen der Figuren vollziehen sich im Rahmen der angegebenen Himmelsrichtungen N, NO, O, SO, S, SW, W, NW.“ 3 Ein Beispiel für einen Chor-Einsatz – Weiss: „Wir führen Chöre ein, wenn einer umfassenderen Stellungnahme Gehör verliehen werden soll“ findet sich

nach der Flucht der Vietnamesen in den Süden:

Chor       Hier gründen die Völker der Viet

die auszogen aus dem Reich der Mitte

das Königreich Viet Lac 5

Der Chor hat also eine ähnliche Funktion wie in der Antike. In der antiken Tragödie hatte er hauptsächlich Kommentarfunktion, das heißt, er hat das Geschehen erklärt.

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Über Kaiser Le Loi, der 1427 die Unabhängigkeit gegenüber der Ming-Dynastie von China militärisch sichern konnte, steht folgendes geschrieben: 8 (Bauer Vietnams), 10 (Obere Vietnams)

8           Seht den Heerführer Le Loi

Er vertreibt die Fürsten und Landherrn

Jagt sie ins Meer

10         Bringt die Reichtümer der Fürsten

dem Heerführer Le Loi

daß er sie zu euerm Besten verwalte

Alle zu einer geschlossenen Truppe.In der Mitte vorne Le Loi und sein Oberer (1-8 Bauern Vietnams)

1 2 4      In seiner Gerechtigkeit

verteilt der Kaiser Le Loi das Land

Jeder Bauer erhält ein Stück Land

5 7        Der Kaiser Le Loi verteilt das Land

an seine Generäle und Getreuen

3          Er ernennt sie zu Prinzen und Fürsten

4          Er verteilt das Land

an seine Brüder und Vettern

(9 und 10 Obere Vietnams)

9         Ein jeder erhält so viel Land

wie es seinem Rang und Verdienst entspricht

10       Der Kaiser befiehlt

daß jedem Bauern

ein kleines Stück Feld

gegeben werde

1 2 4    Le Loi ist ein strenger

und gerechter Kaiser

Er hat viele neue

Gesetze erlassen 6

Nicht zuletzt etablierte Le Loi die Le – Dynastie.

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Lassen wir den Chor bei der Kolonisierung Vietnams durch die Franzosen im 19. Jahrhundert zu Wort kommen. 1859 wurde Saigon erobert. 1862 bis 1867 besetzten Truppen Napoleons III. Cochinchina.

Instrumentaleinsatz. Chor des Volkes.

Chor   Tiefer als die Schlucht

ist unser Haß

Größer als die Berge

ist  unser Zorn

Aus der tiefen Schlucht

über die Berge

dringt unser Ruf

nach Befreiung 7

Nicht verschweigen möchte der Autor in der Behandlung dieses Stadiums in der Chronologie am Schluß des Stückes, dass in dieser Zeit von 1858 bis 1860 England und Frankreich den Opiumkrieg gegen China führten. Auch an der vietnamesischen Küste landeten damals französische Kriegsschiffe.

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Weiter geht es 1883 und 1884, als das französische Protektorat über Tonking und Annam errichtet wird. Den französischen Kolonisatoren wird hier in den Mund gelegt:

11     Die Bergwerksgesellschaft von Tonking

hat in diesem Jahr über fünfhunderttausend

Tonnen Steinkohle exportiert

12     Die Portland Zementgesellschaft bei Hai Phong

verzeichnet eine Gewinnsteigerung

von siebzig Prozent

13     In Cai Bau und Dong Trieu

haben wir Gruben erschlossen

zur Förderung von Zink Blei und Mangan

14     Die Kolonialwarenhändler im Mutterland

erhielten in dieser Saison aus Indochina

zum Verkauf

eine Million Tonnen Reis

15     Frankreich hat das alleinige

Handelsrecht mit Indochina

Frankreich bestimmt

die Einkaufspreise  8

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Keine Streiks wollen die vietnamesischen Verbündeten der Franzosen

9 10   Es ist streng darauf zu achten

daß auf den Plantagen und in den Fabriken

keine Gruppenbildung unter den Arbeitern entsteht

Jede Tendenz zu einer politischen Betätigung

sowie andre Zeichen von Aufsässigkeit

und moralischem Verfall

sind energisch zu bekämpfen 9

Im nächsten Stadium fordert dann Ho Chi Minh bei der Versailler Friedenskonferenz 1919 die Autonomie für Vietnam.

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Im zweiten Teil wird in Washington am 3. April 1954 in Washington in einer Geheimen Konferenz im Außenministerium die geostrategische Bedeutung Südostasiens deutlich gemacht.

Leuchtbild

Thruston Morton

Referent des Außenministers

für Kongreßangelegenheiten

14    Die Länder Südostasiens

haben eine Bevölkerung von Hundert

Fünfundsechzig Millionen

Hier werden fünfundachtzig Prozent

der Weltproduktion an Kautschuk gewonnen

und zweiundachtzig Prozent des Zinns

In  Indochina gibt es

hochwertigen Anthrazit

Kupfer und Eisenerz sowie

noch unerschlossene Lager von Mangan

Bauxit und Tungsten

Als einziges Land Asiens

produziert des einen Überschuß

an Reis

Wer immer darüber Kontrolle ausübt

hält die Versorgung Japans Indiens

Malayas Javas und der Philippinen

in der Hand

Aufgrund seiner Lage kann Indochina

die Verbindungen kontrollieren zwischen

dem Pazifischen und dem Indischen Ozean

Das neue Kraftzentrum

des Weltkommunismus

liegt in China 10

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Bei der Geheimsitzung des Nationalen Sicherheitsrates werden dann auch noch die hohen Funktionen von Ministern in der Wirtschaft genannt.

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George M Humphrey, Finanzminister in der Regierung Eisenhower

Vorsitzender des Aufsichtsrates der M A Hanna Company Kohle Eisenerz Stahl

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Charles E Wilson, Verteidigungsminister in der Regierung Eisenhower

Präsident der General Motors Corporation

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John Foster Dulles, Außenminister

Direktor der International Nickel

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Nelson A Rockefeller, Minister für Gesundheitswesen Erziehung und Wohlfahrt

Mitbesitzer der Standard Oil New Jersey, Eigentümer der Chase Manhattan Bank

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Roger Kyes, Staatssekretär im Verteidigungsministerium

Vizepräsident der General Motors Corporation

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Harold E Talbot, Minister für Luftwaffe

Direktor der Chrysler Corporation

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Das Stück ist heute noch von Bedeutung. Die USA haben in Vietnam keine Glaubwürdigkeit entwickelt. Sie haben sich mit rechten Diktatoren wie Diem verbündet, die Demokratie dann nicht akzeptiert, wenn sie bei ihrer Anwendung die Wahlen verloren hätten. Ein Schurke wird dann akzeptiert, wenn er eigenen Interessen dient, der Diktator ist eben „unser Schurke“. Ein hohes Maß an militärischer Gewalt wurde eingesetzt. Der Krieg forderte drei Millionen Tote, zwei Millionen Menschen wurden verstümmelt und weitere zwei Millionen Vietnamesen wurden von abgeworfenen Chemikalien verseucht. 58 000 US-Soldaten fielen. Die revolutionären Erwartungen des Autors wirken heute allerdings eher zu optimistisch. Wie der Chor aussagt: Es geht darum, die Grundlagen der Revolution zu zerschlagen. Danach werden die Erfolge der Demokratischen Republik Vietnams aufgeführt – u. anderem sehr viele Ärzte oder die Besiegung von Hunger, Krankheit und Armut.11

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„Heute fordern Kritiker wie Ludwig Marcuses- und Walter Hinck den Schriftsteller Weiss auf, doch mit einem Gewehr im Dschungel zu verschwinden. Der Amoklauf seiner Gegner wäre freilich ein schöneres Schauspiel für den Kapitalismus, als es ihm ein Theater bieten kann, das allzusehr Museum geworden ist, als daß es noch wesentliche Überbaufunktionen wahrnähme. Daher klagen auch die über seine Folgenlosigkeit, die schon längst darauf als Bauplatz reflektieren, um dort seis lukrativere, seis manipulativ funktionalere Unternehmen zu errichten.“12 Solche radikalen Forderungen wie die von Marcuse und Hinck ergeben sich sicherlich aus der linksradikalen Ausrichtung des Autors Weiss, der aus seiner Akzeptanz revolutionärer Gewalt nie einen Hehl macht. Die politische Theologie des Stückes ist der Kommunismus, der der Menschheit Befreiung vom Elend bringen wird. Sie kam in die öffentliche Wahrnehmung verstärkt Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts, in der vor allem im akademischen Milieu eine radikale Kritik des Kapitalismus weit verbreitet war und die USA der Hauptfeind – mit der Entstehung der 68er Generation.

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Vietnam heute – kein Kommunismus mehr. Ein Autor führt im „Euro am Sonntag“ vom 1.2.2013 aus: „Vor 20 Jahren hat sich das Land für die Marktwirtschaft geöffnet. Ähnlich wie in China blieb die Führung aber sozialistisch. Das Modell funktioniert. In den Jahren 2000 bis 2010 wuchs das BIP mit Ausnahme des Krisenjahres 2009 immer um mindestens sieben Prozent. ‘Das Land geht denselben Weg wie China, es liegt allerdings noch 15 Jahre zurück’, ordnet Eugen von Keller, Chef der Hongkonger Investmentgesellschaft Xanadu, das Land am Mekong ein. Während China schon selbst entwickle, setzten Fabriken in Vietnam vorwiegend Teile zusammen. Die gestiegenen Lohnkosten beim ‘großen Bruder’ im Norden kommen der Wirtschaft Vietnams zugute. Ausländische Unternehmen in China verlagern einfache Fertigung zunehmend zum südlichen Nachbarn. Und immer mehr chinesische Firmen machen es genauso. Das sind vor allem Textil-, Elektro- und Maschinenbauunternehmen.“

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Auszug der Rezension von Günther Rühle in der FAZ vom 22.3.1968

„Dieses Stück trifft uns in einem, kritischen Augenblick; in dem der Krieg in Vietnam noch einmal eskaliert; in dem klar geworden ist, daß die Erwartungen von 1964, der Krieg sei schnell zu beenden, trogen und daß falsche Einschätzungen des Gegners und des Volkes zu falschen Maßnahmen führten; in dem McNamaras Abgesang über die Schwierigkeit, der Bevölkerung Süd-Vietnams ein eigenes Staatsgefühl als Halt für den Kampf zu geben, uns noch in den Ohren liegt; in einem Augenblick, in dem die Spaltung der Meinung über Rechtfertigung und Notwendigkeit dieses Krieges aus den USA zu uns herübergreift. Dieser Krieg beherrscht unsere Gedanken – nicht nur die der jungen Vietcong-Trabanten, die mit Eifer und Fahnen nach dem Ende der Aufführung die Bühne besetzten, als wollten sie das letzte Wort des Autors ‘Wir zeigten den Anfang, der Kampf geht weiter’ gleich realisieren. Man erlebte als letzten Akt zehn Minuten der Konfusion; Vordrängelei – Wichtigmacherei.“

1 Peter Weiss Vietnam Diskurs “Diskurs über die Vorgeschichte und den Verlauf des lang andauernden Befreiungskrieges in Viet Nam als Beispiel für die Notwendigkeit des bewaffneten Kampfes der Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker sowie über die Versuche der Vereinigten Staaten von Amerika die Grundlagen der Revolution zu vernichten”, Frankfurt am Main 1968 (2. Auflage), S. 7

2 Ebd., S. 17 f.

3 Ebd., S. 6

4 Ebd., S. 5

5 Ebd., S. 19

6 Ebd., S. 43

7 Ebd., S. 67

8 Ebd., S. 72

9 Ebd., S. 74

10 Ebd., S.109 f.

11 Vgl. ebd., S.179 f.

12 Bernd Jürgen Warneken, Kritik am „Viet Nam Diskurs“ in: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/volltexte/2009/4011/pdf/Warneken_Bernd_Juergen_ueber_Peter_Weiss.pdf, S.130

Veröffentlicht 13. Januar 2013 von schauerchristian in Dokumentartheater