Reiseberichte Fichtelgebirge- Horumersiel, Schillig – Meckenburgische Seenplatte -Wetzlar und Brügge

Schönlind im April 2019

Schönlind ist ein kleines Dorf bei Wundsiedel.

Als Touristenort (Urlaub auf dem Bauernhof) wurde es mehrfach ausgezeichnet im Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“. Es besteht aus einzelnen Gehöften. Den Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ kenne ich von dem Dorf Laubenzedel bei Gunzenhausen, das Anfang der sechziger Jahre ebenfalls ausgezeichnet wurde. Die Rolle von uns Schuljungen bestand darin, bei laufender Kamera aus der Schule zu rennen. Die Einwohnerzahl von Schönlind ist nicht hoch, unter 100 Personen.

Urkundlich wurde der Ort das erste Mal 1421/1422 erwähnt. Es liegt eine Rechnung des markgräflichen Amtes Wunsiedel vor.

Der Schloßberg von Schönlind war Standort einer Turmhügelanlage, die vor dem 13. Jahrhundert errichtet wurde.Von der ehemaligen Anlage sind noch die Wallgräben zu sehen, die einen Kernhügel umschließen. Sie diente der Sicherung einer Handelsstraße, die Franken mit Böhmen verband.

Schönlind Burgschild

Schönlind Schloßberg

Nördlich des Dorfdeiches gibt es zusätzlich ein großes Steinkreuz.

Schönlind Weiher

Schönlind Weiher

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Teufelshöhle, Fichtelgebirge, Egerland und Oberpfalz Ende August 2003

Teufelshöhle am 23.8.2003:

Als Kind hatte man schon die Gelegenheit, die Teufelshöhle bei Pottenstein zu besuchen. In Erinnerung geblieben sind Stalagmiten und Stalagtiten, die auch damals schon Aufsehen erregten und ein Bärenskelett, das geradezu legendär wirkte. Heute gibt es das Bärenskelett immer noch und eine Sommer-Rodelbahn sorgt für zusätzliche Aktivierungschancen für Kinder. Abgesehen davon stellt sich die Frage nach der Funktion der Höhlen in prähistorischer Zeit. Dabei meint man feststellen zu müssen, daß

– Höhlen ein Schutz für Menschen waren

– Höhlen Tore zur Unterwelt waren

– Höhlen wissenschaftlich seit dem 18. Jahrhundert auf Interesse stießen, im 19. Jahrhundert kulminierte das Interesse. Die Teufelshöhle wurde 1922 bis 1923 von Hans Brand, einem Studienrat aus Bayreuth, erschlossen „Scharen von Arbeitern zogen im Spätherbst 1922 in die Höhle ein… bald wurden die ersten Tropfsteingruppen gefunden, die an Pracht und Schönheit alle Erwartungen übertrafen“. Die ersten Besucher folgten schon ein Jahr später. Bis 1931 erfolgte eine rege Erschließungstätigkeit. Die Forschungsgruppe „Höhle und Karst“ hat in dieser Höhle schon lange ein Forschungslabor eingerichtet.

Innenstruktur der Höhle:

Der Eingang ist gigantisch als „Tor zur Unterwelt“. Man fragt sich, warum das Teufelshöhlentor nicht längst zum Höhlentor des Jahrhunderts gewählt wurde. Gibt es keine Höhlenshow, die so etwas einrichten könnte nach dem Tor des Jahrzehnts der Sportschau – fünf Höhleingänge werden gewählt, der Zuschauer darf sein Lieblingstor wählen – der Teufel darf gewinnen, ohne daß die Kirche protestiert, eine Konfiguration, die so im katholischen Bayern nicht mehr möglich ist. Und zwar völlig losgelöst von der Tatsache, wie hoch die bayerische CSU die anstehenden Wahlen gewinnt. Ein Advocatus diaboli als Matchwinner – welch ein Ding. Führt hier nicht ein Weg in den Kuppelsaal, wo die Vermählung mit dem Teufel stattfindet – ein bizarre Welt, die die Natur schuf und die von einer Luftfeuchtigkeit von 90 Prozent begleitet ist bei einer Temperatur von nur 9 Grad Celsius – hier herrscht ewige Kälte wie an der Antarktis – es fehlen nur die Eisbären, die sind eben seit 30.000 Jahren ausgestorben. Sie waren um die drei Meter lang und 400 kg schwer und hießen Höhlenbären, wobei nicht klar ist, wie sie von Menschen bezeichnet wurden.

Wunsiedel am 24.8.2003:

Wunsiedel liegt an der Rösla, einem Bach und im trockenen Sommer 2003 einem Rinnsal. Die Landschaft des Fichtelgebirges ist eine von Naturdenkmälern durchfurchte. Um Wunsiedel findet sich die Luisenburg, ein Steinverhau mit angeschlossener Naturbühne. Die Felsenwildnis war um 1820 begehbar geworden. 1890 kam die endgültige Wende mit einer vaterländischen Tendenz der Aufführungen. Besonders in der Nazizeit wurden die Aufführungen der Luisenburg besonders gewürdigt – hohe Besucherzahlen sprachen dafür. Die Spiele wurden 1951 wieder nach einer zehnjährigen Pause aufgenommen. Beliebt sind die Spiele auch gegenwärtig noch, was sich in Zuschauerzahlen von weit über 100.000 jährlich niederschlägt. Historisch ist der Ort mit den „sechs Ämtern“ verknüpft. Die Bezeichnung wurde von den Burggrafen von Nürnberg um 1300 zugeschrieben. Rudolf I. zeigte sich den Nürnberger Burggrafen kenntlich, die ihm Reichsgut gesichert hatten. Sie bekamen das Burglehen von Eger und das „castrum wunsitel“ 1285. Die Burg von Wunsiedel entstand um 1100 (möglicherweise aber schon eher). „Sedil“ bedeutet Sitz und „Wunne“ Waldwiese. Der Ort wird 1163 das erste Mal urkundlich erwähnt, der Besitzer hieß Adelbertus von Wunsidil. 1321 kauften die Nürnberger Burggrafen die Wunsiedler Burg und legten fünf Jahre später eine Stadt an, die älteste Stadt des Fichtelgebirges war geboren. Wichtig war von Anfang an der Bergbau. Im Wunsiedler Tal gab es 13 Eisenhammer- und Pochwerke. So war das Eisen der wichtigste Rohstoff dieses Ortes. Bis weit in das 15.Jahrhundert handelten viele Bürger mit diesem Metall. Um 1450 ebbte der Bergbau ab. Zwischen 1451 und 1466  wurde ein Spital errichtet, das erst 1940 wieder verschwand. Zunächst war es ein „Laienbruderhaus“, das für zwölf verarmte Brüder gebaut wurde. Ein bedeutender Bewohner des Ortes war Carl Ludwig Sand, der 1819 als nationaler Burschenschaftler den konservativen Schriftsteller August von Kotzebue tötete und ein Jahr später hingerichtet wurde. Ein Anhänger der Burschenschaftsbewegung, die sich der deutschen Einheit wegen gegen die Monarchien und den Adel stellte, lebte damals gefährlich. Karl Follen galt als einer der radikalen Burschenschaftsführer und als geistiger Hintermann des Attentates. Nach dem Mord setzte eine beispiellose Repressionswelle gegen liberale Strömungen ein, die in den Karlsbader Beschlüssen von 1819 gipfelte. Metternich führte sein reaktionäres Régime ein, das mit der Bekämpfung der bürgerlichen Revolution verbunden war und ist. Die Person von Sand war dabei nebensächlich. Wie wurde Sand beurteilt? Sein Lehrer Saalfrank meinte zu ihm: „ernst, gesetzt, empfänglich für das Gute, voll Vertrauen und still“. Überwiegend sei eine melancholische Tendenz bei Sand gewesen, er sei ein Schwärmer im positiven Sinne gewesen.

Franzensbad, 25.8.2003:

Der Ort in Tschechien, ein reiner Badeort, bietet das Bild einer klassizistischen Unwirklichkeit, die ihresgleichen sucht. Nirgends leben Menschen, die in Fabriken arbeiten, als Bauern ackern oder als Dokumentare schwitzen. Nur Badegäste, finanziell über den Dingen schwebend unter ihresgleichen. Wenn nicht gleich Aristokraten die Szene beherrschen. So Kaiser Franz I. und Maria Louisa. Ersterer weilte hier 1812. Er begleitete seine Tochter Maria Louisa nach Paris. Sie kosteten das Mineralwasser. Johann Strauß war 1884 hier und dirigierte den Walser „Auf der schönen blauen Donau“. Goethe fuhr 1806 durch die Stadt, 1807 ruhte sein weises Haupt auf Franzensbader Kissen, ein Jahr später verliebte er sich in die dreiundzwanzigjährige Silvia von Ziegesar – ein Faktum, das literaturhistorisch viel Aufsehen erregt hat. Der Ort ist unwirklich schön, hier könnte der Fin de siècle-Schrifsteller Baudelaire (Person nicht identisch mit dem französischen Dichter) unter Morphiumeinfluß den rituellen Mord des Alters vollzogen haben oder ein endgültiger Beschluß gefaßt worden sein, die aristokratische Gesellschaft wiedereinzuführen. Im Ortskern findet sich das Haus zu den drei Lilien von 1794. Die realistische Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach meinte zu Franzensbad: „Auf zarte Frauen macht ein solches Bad die Wirkung einer Oper der Zukunft, oder eines kleinen Champagner-Rausches, was ungefähr dasselbe sein soll. Sie werden heiter, selig, verklärt, sentimental, schwärmen von verborgenen Veilchen und leuchtenden Sternen, vom letzten Ball und der ersten Liebe, fühlen sich in Arkadien geboren, gehen nicht mehr, sondern hüpfen spazieren …“

Fichtelsee, 26.8.2003:

Der Fichtelsee zählt zu den landschaftlich schönsten Seen Bayerns. Gänzlich umschlossen von Bäumen, bietet er das Bild einer reinen Idylle. Tretbootfahrer können sich in einem überschaubaren Terrain verwirklichen, die Anspannung hält sich in Grenzen und die Zahl der Badenden macht einen Zusammenstoß nicht sehr wahrscheinlich. So liegt dieses Kleinod der deutschen Seenlandschaft weiter in relativer Abgeschiedenheit und zieht Massen offensichtlich nicht so stark an wie der Königsee.

Eger, 27.8.2003:

Wir, Heinrich, durch Gottes Gnaden König, wollen, dass allen bekannt werde, wie wir einem unserer Diener, genannt Otnant, einen Teil des Waldes … bis zu jenem Wege, der von Eger herabkommt …. zum Eigentume gegeben und übertragen habe.“ Heinrich IV. stellte diese Urkunde 1061 aus. Sie ist der älteste Beleg für die Ostkolonisation in diesem geographisch günstigen Gebiet, in dem Siedlungsspuren der Jungsteinzeit Und der Bronzezeit gefunden wurden. Vielleicht ist sogar das römische Menosgada identisch mit dem heutigen Eger. Nach den Kelten und Markomannen ist die slawische Bevölkerung vom 9. bis in das 11. Jahrhundert belegt. Um 1100 kolonisierte Markgraf Diepold von Vohburg das nördliche Grenzgebiet und bildete ein Verwaltungszentrum Eger. Im 12. Jahrhundert folgte ein Netz von befestigten Burgen in dieser Region. 1125 ist eine steinerne Burg in Eger in der slawischen Wallanlage überliefert, zehn Jahre später erfolgt die Bezeichnung Regio Egere. 1146 ging der Ort an die Staufer, 1167 machte Friedrich Barbarossa Eger zu einem wichtigen Verwaltungszentrum in Böhmen. Während der 100jährigen Regierung der Staufer entstehen 300 Dörfer. Die Burg Eger wurde in dieser staufischen Zeit erbaut und erinnert stark an die von Gelnhausen. 1183 datiert der erste historische Vermerk, die Kapelle wurde 1213 das erste Mal erwähnt.

ärteste, vielleicht auch herzloseste Herrscher unseres Mittelalters gewesen ist,

so hat doch auch er wie alle echten Kaiser, sich von Gottes Gnaden berufen,

Gott verpflichtet gefühlt.“

Aus: Hohenstaufenschlösser in Deutschland und Italien (Die Blauen Bücher),

Text: Leo Bruhns, Königstein im Taunus 1964

1266 folgte mit dem Przemysliden Ottokar II. ein böhmischer Herrscher, der

das Egerland seinem Herrschaftsgebiet einverleibte. In diesem Jahr bestätigte

er der Stadt ihre Freiheiten und setzt Burggrafen an die Spitze seines eigenen

Verwaltungsapparates. Auch ließ sich der Orden der Kreuzherrren mit

dem Roten Stern hier nieder.

Friedrich Schiller beschreibt den Tod Wallensteins in Eger am 25.2.1634 folgendermaßen:

Das Stadthaus beinhaltet heute das Museum von Eger; hier starb Wallenstein. Unter den vielen historischen Requisiten findet sich das ausgestopfte Pferd des Feldherren. Seit 1735 das jetzige Museum der Stadt. Das deutsch-tschechische Verhältnis war besonders im 20. Jahrhundert eine Katastrophe. Zwei Leserbriefe sollen eine Anregung zur Weiterbeschäftigung geben.

Leserbrief zu „Wiedergutmachung des erlittenen Unrechts“, in: Main-Echo vom 22.1.1998 (Leserbrief), gedruckt am 10.2.1998:

Herr Jäckl schreibt in seiner Stellungnahme „An der Bildung des ´Protektorats Böhmen Mähren` haben die Sudetendeutschen keinen Anteil und können deshalb nicht mit den Verbrechen bestraft werden, wie dies nach den ´Beneschdekreten´ geschehen ist.“

Leider entspricht dies nicht den historischen Fakten. Bei den Parlamentswahlen von 1935 gewann die Sudetendeutsche Partei mit ihrem Vorsitzenden Konrad Henlein etwa zwei Drittel der deutschen Bevölkerung für ihre Politik, die sich zunächst für volle kulturelle Autonomie und eine Umwandlung der Tschechoslowakei in einen Bundesstaat nach Schweizer Vorbild einsetzt hatte, aber im Laufe der Zeit immer stärker in den Sog der NSDAP geriet. Schließlich erhielt sie monatlich 15.000 Reichsmark von der Auslandsorganisation der NSDAP. Die Sudetendeutsche Partei spielte eine Schlüsselrolle beim Sturz

des tschechoslowakischen Staates. Ihre sämtlichen Unterorganisationen wurden Schritt für Schritt nationalsozialistisch infiltriert. Henleins Partei trat 1937 offen pronazistisch und antisemitisch auf. Ein Geheimtreffen mit Hitler am 28.März 1938 erbrachte eine maximalistische Strategie gegenüber der tschechoslowakischen Seite: stets mehr fordern als sie geben konnte. Die nationalsozialistische Radikali-

sierung breiter Schichten dokumentiert zudem die Aufschrift auf einem Fabrikschlot im Sudetengebiet: „Auch du wirst wieder rauchen, wenn dich wird Hitler brauchen!“

Betrachtet man die überwiegende Mehrheit der Sudetendeutschen historisch, so sind sie demnach nicht die Unschuldslämmer, als die sie sich selbst gerne sehen. Das Verschwinden eines Staates von der Landkarte, es wurde hingenommen im Sinne großdeutscher Ideologie. Die deutsche Besatzungspolitik

trug dazu bei, daß sich in den Vertreibungen ein grenzenloser Haß auf die Deutschen entlud, für den sich der tschechische Präsident Havel vor Jahren entschuldigte. Ein Heimatrecht zu fordern, das über das normale Niederlassungsrecht im Rahmen der Europäischen Union hinausgeht, erzeugt neue Ängste vor

deutschem Großmachtdenken. Ebenso unsinnig ist es, zu fordern, die „Beneschdekrete“ aufzuheben, das kann man genauso wenig wie die Henlein-Politik aufheben. Nur wer sich mit den Ergebnissen des Zweiten Weltkrieges abfindet, hat die Chance zur Völkerverständigung.

 Christian Schauer

Leserbrief zu „Sudetendeutsche ´friedliche Mahner für Selbstbestimmungsrecht der Völker`“, in Main-Echo vom 4.3.1998, abgedruckt im Main-Echo vom 13.3.1998:

Zu den Tötungen von Sudetendeutschen 1919 und der Behandlung der Sudetendeutschen insgesamt im neu gegründeten tschechoslowakischen läßt sich sagen, daß Schwächen der Prager Politik nicht zu leugnen sind. Trotz des Bekenntnisses Prager Politiker zu westlichen Werten, konnte eine Kantonlösung nach Schweizer Vorbild verbunden mit einem gleichberechtigten Zusammenleben der Völker auch aufgrund der Inflexibilität der tschechoslowakischen Seite nicht in die Wege geleitet werden. Richtig ist allerdings auch, daß sich die Sudetendeutschen frühzeitig vom Virus des Nationalsozialismus infizieren ließen, was eine willenlose Unterwerfung unter die völkische Politik des Dritten Reiches nach sich zog.

Bei den historischen Rückblenden sudetendeutscher Funktionäre wird die deutsche Besatzung der Tschechoslowakei überhaupt nicht erwähnt. So muß angeführt werden, daß Reichsprotektor Heydrich von Anfang an „eine Endlösung“ plante, um das annektierte Land „endgültig deutsch“ zu machen. Die schlimmste Hinrichtungswelle erlebte das Reichsprotektorat nach dem Attentat auf Heydrich Ende Mai 1942. 1.017 Menschen fielen dem deutschen Terror in den ersten Wochen zum Opfer.

Die Ereignisse von Lidice bildeten einen weiteren Höhepunkt deutscher Rachsucht. 45.000 Prager Juden erlebten Theresienstadt als Durchgangsstation in die Vernichtungslager. Daß es bei der Eindeutschung nicht bleiben sollte, verkündete ein Redner der Deutschen Arbeitsfront am 8.August 1941: „Die `Wenzels` (gemeint die Tschechen) seien in diesem Land nur Gäste. Wenn sie nicht bereit seien, im Laufe dieses Krieges ihre Gesinnung zu ändern, könnten sie später in einem Land jenseits des Ural darüber nachdenken.“

Wer über Vertreibung spricht, sollte immer zuerst anführen, daß sie speziell gegenüber den slawischen Völkern von Deutschen zuerst in Reinkultur und besonderer Barbarei in die Wege geleitet wurde. Im Generalplan Ost wird eine Politik der „Evakuierung“, also der Vernichtung des osteuropäischen Judentums dargelegt, die mit einer Vernichtung und Vertreibung vieler Millionen polnischer und sowjetischer Männer, Frauen und Kinder und dem Mord an Kriegsgefangenen verbunden ist. Daß es bei der Absicht nicht blieb, ist bekannt. Zum Wesen des totalen Krieges gehört es, daß das Land, das ihn ausruft, letztlich bei einer Niederlage das erleidet, was es anderen vorher zugefügt hat.        Christian Schauer

Gleißingerfels, 28.8.2003:

Da die Welt bei Adam und Eva beginnt, wollen wir hier mit dem Nibelungenlied beginnen. Siegfried, der hinterrücks ermordete Recke des Nibelungenliedes, hatte ein legendäres Schwert, das der Sage nach aus oberpfälzischem Erz geschmiedet wurde. Andere Quellen berichten, dass schon unter Ludwig dem Deutschen im Fichtelgebirge Gold gewonnen wurde. Erwiesen ist die Tatsache, dass der Bergbau im Fichtelgebirge zu den ältesten in Deutschland gehört. Dafür spricht unter anderem, dass schon um 1000 Bergleute aus dem Fichtelgebirge in den Harz zum Erzbergbau gerufen worden sein sollen. Wallonen sind im 12. Jahrhundert im Fichtelgebirge nachgewiesen. Sie hämmerten schon damals an den Steinen herum. Im Mittelalter wurde Bergbau betrieben zum Abbau von Gold, Zinn, Eisen, Manganerzen, Kupfer- und Kobalterzen. Noch heute wird Bergbau getrieben nach Graniten, Ergusssteinen, kristallinem Kalk, Gneis, Phyllit und Schiefer sowie Mineralien. Dominierend im späten Mittelalter war der Eisenerzbergbau in der Oberpfalz. Um 1400 erzeugte die Oberpfalz die doppelte Menge Eisen wie Frankreich und England zusammen (etwa 400 Tonnen Erz täglich). Von enormer Bedeutung war die in Bayern schon im 14. Jahrhundert verbreitete Kenntnis, Schwarzbleche durch Verzinnen in Weißbleche zu verwandeln. Man konnte die Oberpfalz und das Fichtelgebirge mit dem heutigen Ruhrgebiet vergleichen. Bayerische Städte wie Regensburg, Nürnberg, Amberg und Sulzbach verdankten ihre Weltgeltung dem Eisen.

Waldsassen und die Kappel, 29.8.2003:

Wer sich ein imposantes Bauwerk nicht entgehen lassen will, der besuche Waldsassen und die weithin sichtbare Stiftskirche, eine ehemalige Zisterzienser-Abteikirche. Wie schon erwähnt entwickelte sich im frühen 12. Jahrhundert im Norden des Herzogtums Bayern die „regio egere“, die vom Egerer Becken bis zum Fichtelgebirge reichte. Es herrschte hier Markgraf Diepold III. von Vohburg-Cham (1099 – 1146), Vater der ersten Frau Friedrich Barbarossas. Nach der Gründung des Klosters Reichenbach 1118 holte er 1133 die Zisterzienser ins Land, die von ihren Wirtschaftshöfen die Rodung vorantrieben. Nach dem Erlöschen der Diepoldinger wurde das Waldsassener Stiftsland reichsunmittelbar, sein Wirkungskreis reichte bis nach Böhmen. Im 16. Jahrhundert wurde Waldsassen landständisches Kloster, nach dem Übertritt des Herrscherhauses zum Protestantismus wurde es aufgehoben. 1613 entstand eine Textilmanufaktur. Nach dem Dreißigjährigen Krieg eroberten die Wittelsbacher die Oberpfalz. Die Gesellschaft Jesu vollzog die Rekatholisierung des Gebietes. Ab 1661 wurden wieder Zisterzienser angesiedelt, 1690 konnte eine blühende Abtei registriert werden. In diesem Zusammenhang wurde die Pfarrei Münchenreuth Übernommen und damit die Wallfahrt zur Kappel (1689). Die Blüte des 18. Jahrhunderts wurde durch die Säkularisation 1803 beendet. 1969 stieg die einstige Klosterkirche zur päpstlichen Basilica minor auf.

Wichtigste Baumeister waren die Gebrüder Georg und Christoph Dientzenhofer und Abraham Leuthner (1640 – 1710), die durch überragende Fähigkeiten auffielen. Die Kirche ist mit 23 Meter Breite und 82,7 Meter Länge außerordentlich groß und Kommt damit fast an den Regensburger Dom heran. Die Fassade ist nach dem Vorbild des Salzburger Doms konzipiert. Schöpfer der Stuckdekoration im Innern ist Giovanni Battista Carlone (1641 – 1718/21) aus Oberitalien. Nach dem Dreißigjährigen Krieg war er nicht der einzige Wanderkünstler aus dieser Region, der nördlich der Alpen wirkte.

Die Fresken der Kirche stammen von dem Prager Maler Johann Jakob Steinfels (1651 – 1730). Die Fresken im Chorgewölbe behandeln die Gründungslegende des Klosters. Unter anderem entlässt Kuno I., Bischof von Regensburg, den Benediktinermönch Gerwig mit einem Empfehlungsschreiben in die Einsamkeit. Im vierten Bild wird Gerwig eingekleidet, von Bernhard von Clairvaux erhält er das weiße Gewand der Zisterzienser. Von großer künstlerischer Qualität ist auch das Chorgestühl des Bildhauers Martin Hirsch von 1696. Zu sehen sind Putten und Akanthusranken sowie Maria, Christus und die zwölf Apostelfiguren. Der französische Maler Claude Monot arbeitete 1696/1697 in Waldsassen. Das große Altarbild zeigt die Kreuzigung Christi in dramatischen Helldunkel und bei Lichtanfall (etwa 20 Minuten) in mystischen Rot. Spektakulär an der Altarwand ein Kugeltabernakel.

Von eher schauerlicher Wirkung (hier macht der Besucher seinem Namen alle Ehre) sind die „heiligen Leibe“ des St. Maximin und des Gratian, Märtyrer des Christentums, deren Gebeine mit Edelsteinen und Gewändern gekrönt sind. – Man ist geneigt, sich anhand derartiger Darstellungen die Frage zu stellen, ob man Leichenteile, zu welchem Zweck auch immer, ausstellen darf. Nicht zuletzt durch die Ausstellung „Körperwelten“, die zur Zeit in Frankfurt zu sehen ist, bekommt die Problematik einen aktuellen Bezug.

Wenden wir uns den gegenwärtigen Problemen des Fichtelgebirges zu, so kann man für den Kreis Wunsiedel, so kann man feststellen, aß es mehr Einpendler als Auspendler gibt. Nur noch 0,5 % der Beschäftigten sind in der Land- und Forst- Wirtschaft beschäftigt, 54,8 % im produzierenden Gewerbe und 44,7 % im Dienstleistungsbereich. Es werden im Kreis pro Einwohner im Durchschnitt 546 Euro gemeindliche Steuern eingenommen, das entspricht in Deutschland einem mittleren Wert.

Das Fichtelgebirge ist bekannt für seine Porzellanherstellung, etwa 80 % des Deutschen Porzellans werden hier hergestellt. Wer es genauer wissen will, der kann sich im Porzellanmuseum in Hohenberg an der Eger näher informieren. Internetadresse: www.dt-Porzellanmuseum.de. Er sollte sich allerdings dort keinesfalls wie ein Elefant im Porzellanladen aufführen, sonst bekommt er die rote Karte und wird für die nächsten Museen gesperrt.

Wer schon immer gegen neue Autobahnen war und ist, der wende sich an die Münchberger Naturfreunde www.naturfreunde.muenchberg.de.Sie sprechen sich vehement gegen eine Autobahn durch das Fichtelgebirge aus. Dagegen gab es in den letzten Jahren mehrere Demonstrationen. Unter anderem fürchten die Naturfreunde um die Zigeunermühle.

Von Christian Schauer ab September 2003 geschrieben!


Horumersiel, Schillig und Umgebung vom 7.6. bis 15.6.2003

Hooksiel, Horumersiel und Schillig sind drei malerische Örtchen (keine stille, sondern gut frequentierte) in Ostfriesland und damit an der Nordseeküste. Die Landschaft ist hier genauso flach wie der am häufigsten in der Nordsee anzutreffende Fisch, die Scholle. Mit zunehmendem Alter wendet dieses Tier seine eine Seite immer mehr dem Meeresgrund zu. Das dann unnütze Auge wandert allmählich auf die entgegengesetzte Seite. Das Tier kann sich perfekt dem Meeresgrund anpassen und ist bei Ebbe kaum auf dem Grund zu erkennen. Zubereitet wird die Scholle bevorzugt mit Salzkartoffeln und Salat, wobei der Rotbarsch ihr auf den Speisekarten Konkurrenz macht. Seehunde werden auf diesen nicht angeboten, obwohl sie auch zu den Küstenbewohnern gehören. Viele Wirtsleute fürchten offensichtlich, daß das nicht auszuschließende Bellen zu viele Kunden und Gäste verschreckt. Was würde eigentlich passieren, wenn der Knurrhahn serviert würde, der bei Demonstrationsfischen vor Hooksiel aus dem Wasser gezogen wird, um die Artenvielfalt der Nordsee zu beweisen?

So siedeln Seehunde in erster Linie auf Seehundbänken, im Winter ziehen sie sich in nördliche Gefilde der Nordsee zurück, an die Küsten Schottlands, Norwegens und Dänemarks – hier ist spätestens der Bezug zur Deutsch-Ausländischen Gesellschaft Alzenau hergestellt, erweist es sich doch auch im Tierreich, daß eine rein nationale Betrachtung einfach nicht ausreicht. Auch ein Seehund muß multikulturelle Einflüsse aufnehmen, um in unterschiedlichen Ländern zu bestehen. Meint er zunächst an der Nordseeküste mit Deutsch auszukommen, so lernt er spätestens in Schottland oder Norwegen, daß ihn niemand mehr versteht und er vielsprachig werden muß!!!

Fast einen Kilometer kann man die Nordsee bei Ebbe durchwaten, ohne im Wasser zu sein. Der Boden ist mit Muscheln, Krabben, kleinen Fischen und Würmern übersät. Manchmal sinkt man überraschend so tief ein, daß man sich schon als Moorleiche sieht – beruhigend dabei ist nur, daß ein Ausweis einem Ausgräber in 2.000 Jahren klar dokumentiert, wer hier das Zeitliche gesegnet hat. 50 Jahre ist der Bursche wohl alt geworden, wie eine DNA-Analyse zweifelsfrei beweist, wäre er doch besser zu Hause in Alzenau geblieben.

Der Ort Horumersiel besteht seit 1542. Sturmfluten suchten ihn nicht selten heim. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts fanden sie in zehnjährigen Abständen statt. Am 15. Februar 1962 drohte der Außendeich von Schillig zu brechen. Nach diesen Schrecken wurde der „Generalplan Küstenschutz Niedersachsen“ in das Leben gerufen, die Seedeiche wurden verstärkt, neue Siele und Schleusen gebaut. Der Badebetrieb in Horumersiel-Schillig begann 1860, 1900 wurde der Seebadeverein gegründet. In den zwanziger und dreißiger Jahren gab es „Heitere Nachmittage“, die zur Attraktivität der beiden Orte beitrugen. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem der Badebetrieb völlig darniederlag, wurde 1949 wieder mit diesem begonnen. Seit 1953 gibt es ein kulturelles Programm für Gäste. In den siebziger Jahren wurde der Campingplatz von Schillig zum größten der Nordseeküste Deutschlands.

In Wilhelmshaven ist die Christus- und Garnisonkirche ein Ort der Besinnlichkeit und der Trauer – diese ist so stark, daß ein junger Mann sage und schreibe eine ganze Stunde lang weint. Die Gründungsurkunde dieser Kirche von 1869 ist das älteste Dokument, in dem der Name „Wilhelmshaven“ auftaucht. Sie ist vom preußischen König Wilhelm I. und dem Kriegsminister General von Roon unterzeichnet. Im genannten Jahr war Wilhelm I. nach Wilhelmshaven gereist, um den neuen Hafen einzuweihen. Der damals siebzigjährige König vollzog die Hammerschläge auf den Grundstein. 1872 sollte der Bau vollendet werden. Die Kirche erhielt den Namen „Elisabethkirche“ nach der Gemahlin König Friedrich Wilhelms IV. Die drei Glocken wurden aus Kanonen des Krieges von 1870/71 gegossen. Jahrzehntelang diente die Kirche der Marine, so daß sich der Name „Marinegarnisonkirche“ durchsetzte. Nach und nach füllte sich der Innenraum mit Gedenktafeln, die Wilhelm II. von 1889 anbringen ließ.

Diese Gedenktafeln repräsentieren den deutschnationalen Wilhelminismus in Reinkultur. So wird jeder untergegangene Deutsche mit seinem Schiff namentlich aufgeführt. Das Kanonenboot Iltis wird gewürdigt, das bei der Expedition nach China 1900 unterging. Von 85 Mann Besatzung starben 71. Die Organisation ist mit der Niederschlagung des Boxer-Aufstandes in Verbindung zu bringen. Damals entstand der Slogan „Germans to the front“; Kaiser Wilhelm II. hatte die „Hunnenrede“ gehalten, in der er die deutschen Truppen aufforderte, so grausam aufzutreten wie die Hunnen. Auch an den Herero- und Namaufstand erinnert eine Gedenktafel.

Von 1904 bis 1905 war die Marine an den Kämpfen mit etwa 750 Mann beteiligt. Bis 1906 wurden auf Handelsschiffen 18.000 Soldaten befördert. Auch das Schiff „Großer Kurfürst“ ging unter – von 269 Besatzungsmitgliedern sind 205 namentlich auf der Gedenktafel genannt. In der Kirche ist auch das Marine – Ehrenmal zu besichtigen – es wurde 1957 eingeweiht. Marinedekan Ronneberger führte bei seiner Einweihung unter anderem aus: „Ressentiments müssen aufhören und der Geist der Verständigung und der Versöhnung müssen Platz greifen, und dem will die Gedenkstätte in besonderem Maße dienen.“

Geht man aus dieser Kirche raus, so folgt der Unernst auf dem Fuß – nebenan liegt nämlich das Störtebeker-Museum, das vor allem bei Jugendlichen Interesse an diesem bekanntesten Seeräuber Ostfrieslands wecken soll. Als augenverbundener Seeräuber taucht hier Bundeskanzler Gerhard Schröder auf, was aber nicht bedeutet, daß nicht auch ernsthafte Informationen über das ostfriesische Seeräuberwesen um 1400 dargeboten werden.

Wie man sich einen klassischen Seeräuberüberfall 1398 vorzustellen hat?

„In Norwegen griffen die Seeräuber einen Danziger Kapitän auf, der Wismarsches Bier führte. Das Fahrzeug war ihnen gelegen als Kaperschiff. Sie nahmen mit ihm ihren Kurs Südsüdwest, wo ihnen der Kanal ergiebige Jagdgründe verhieß. Gegen fünfzehn Schiffe, fünf größere und zehn kleinere, die aus Spanien und Frankreich u.a. Wein und Reis, Öl und Honig brachten, fielen ihnen hier zur Beute. Dazu brachte noch ein aus England heimkehrender Flandernfahrer Schätze an Gold und wertvollen Stoffen in ihre Hände. … Um ihrem unverfrorenen Treiben die Krone aufzusetzen, boten sie nach vollbrachter Fahrt dem Danziger sein Schiff, das ihnen solche Dienste geleistet hatte, zum Rückkauf an.“

Der bekannteste unter diesen Seeräubern war zweifellos Klaus Störtebeker; danach sind zu nennen Gödeke Michael und Hainrich von Hall. Seinen Namen hat ersterer bekommen, weil er einen großen Becher Bier in einem Zuge leeren konnte. Ihre Herkunft ist unklar, viele fielen Scharfrichtern in Hamburg oder Emden zum Opfer. Die Seeräuber hatten im 14. Jahrhundert zunächst wichtige Häuptlinge in Ostfriesland zu Verbündeten, so Edo Wiemken, der Herr der Sibetsburg an dem Flüsschen Heete wurde. Manchen Häuptlingen waren sie willkommen, weil sie Beute, darunter Gold, mitbrachten. Im Volk waren die Seeräuber wohl gelitten, sie galten als „Likedeeler“, die den Reichen etwas wegnahmen, um es den Armen zu geben. Feindbild waren dabei die Hansestädte. Sowohl Edo Wiemken als auch seine Verwandten öffneten den Seeräubern Häfen. Schon 1398 sahen sich diese Häuptlinge einer Koalition von Bremen und des Grafen von Oldenburg gegenüber. Edo Wiemken gab darauf hin seine Unterstützung der Seeräuber auf. Unterschlupf fanden sie in Greetsiel und Marienhafe, wo ihnen Häuptling  Widzel tom Brok 1396 einen sichern Schlupfwinkel bot.

Wer waren denn nun die Gegner der Seeräuber? In erster Linie die Städte der Hanse, die ihre Schiffe durch Kaperung der Seeräuber verloren. Für manche Kaufleute bedeutete das den Ruin. Der Kampf gegen die Seeräuber kostete allerdings enorm viel Geld. Bis 1398 brachte die Hansestadt Bremen mehr als 10.000 rheinische Gulden auf. Ähnliche Summen mußte Hamburg aufbringen. Das Jahr 1400 führte zu entscheidenden Niederlagen der Seeräuber. Am 5. Mai siegten die Hamburger auf der Weserems, 80 Seeräuber wurden getötet. Einen Tag später erreichten die Hamburger und Lübecker in Verhandlungen mit Probst Abdena von Emden, daß diese Stadt den Seeräubern keine Unterstützung mehr gewährte. Wenig später wurden in Emden 25 Viktualienbrüder (anderer Ausdruck für Seeräuber) hingerichtet. Der entscheidende Vertrag zwischen den Hansestädten und den ostfriesischen Häuptlingen kam am 25. Mai 1400 zustande. Letztere verpflichteten sich, den Viktualienbrüdern keine Unterstützung mehr zu gewähren und die Interessen der Kaufleute zu wahren. 1402 wurden dann Störtebeker und Gödeke Michael gefangen genommen. Störtebeker wurde auf dem Grasbrook in Hamburg hingerichtet – er teilte das Schicksal mit 70 Leidensgenossen – der Henker watete in Blut. Doch erst 1432 wurden die Seeräuber endgültig vom Hamburger Bürgermeister Simon von Utrecht besiegt. Danach mußten sich die Sibetsburg und Emden ergeben. Der Hamburger Amtmann Detlev Bremer einte in wenigen Jahren diese Gebiete Ostfrieslands. 1464 entstand die Reichsgrafschaft Ostfriesland. Das Geschlecht der Cirksenas repräsentierte eine weltliche Macht, die Ostfriesland vereinte. Die Hamburger sicherten ihren Einfluß in der Gegend durch den Bau der Festung in Leerort und die Burg Stickhausen 1435, die ihren Einfluß bis weit in das Landesinnere ausdehnte.- Obwohl der Seeräuber Störtebeker aus dem hohen Norden stammt, war er bedeutend genug, um in einem mittelfränkischen Dorf vor etwa 40 Jahren zum Hauptinhalt eines Buchpräsents in der Volksschule zu werden.

Sehenswert in Wilhelmshaven ist auch das Wattenmeerhaus, das seinen Besuchern den Nationalpark Wattenmeer näher bringen will. Besonders sehenswert ist die Multimedia-Ausstellung „Sturmerlebnisraum“. Hören Sie den Sturm brausen, fühlen Sie Wind auf der Haut, sehen Sie Gischt und Wellen! Informiert wird auch über Umweltverschmutzung im Watt, in einem Biotop kann man das Leben des Wattes im Kleinen sehen. Auch ausgestopfte Vögel sind zu bewundern, unter anderem der Rotschenkel, der ein graubraunes, hell und dunkel gesprenkeltes Gefieder hat. Das Tier ist durch ein wehmütiges Flöten gekennzeichnet, das zum Stimmungsbild an en Küsten beiträgt. In eben diesem Haus bietet ein eigenes Stockwerk auch Informationen zum geplanten Bau eines neuen Hafens in Wilhelmshaven. Dieser Hafen wird von manchen als zukunftsweisend eingestuft. Er wird Jade-Weser-Port heißen und gemeinsam von Niedersachsen und Bremen realisiert. Es handelt sich dabei um einen Containerhafen, der mit neuester Technik ausgestattet ist. Hier kann der Bogen zu den vielen Möwen gespannt werden, die die Schiffe schon weit vor dem Ufer empfangen, am markantesten ist dabei die Sturmmöwe, die mittlerweilen auch an der Nordsee heimisch geworden ist.

Besucht man den kleinen Ort Hohenkirchen, so fällt die für diesen Ort große Granitkirche auf, die am Anfang des 13. Jahrhunderts entstand. Am auffälligsten ist der Altar von Ludwig Münstermann, der 1620 entstand. Gelegentlich wird auch die Joachim-Kayser-Orgel ausprobiert, die neben dem romanischen Sandsteintaufbecken erwähnenswert ist. Besonders imposant ist die Kirche von außen, aber der Geruch von frischem Mist beeinträchtigt das Gefühl für Erhabenheit doch sehr. Erinnert wird man in diesem Zusammenhang an das Buch „Reisebuch für den Menschenfeind“ von Friedrich-Karl Praetorius, der den Scheinwelten der Glitzerprospekte der Reisewerber die realen Mißlichkeiten gegenüberstellt, so etwa im Frankenwald: „Der Kloß ist das als Beilage getarnte Hauptgericht der Franken. Schon das Wort bleibt einem im Hals stecken“. Parallell ist hier zu führen die Luft von Hohenkirchen – man hält auch in der Erinnerung den Atem an. Praetorius fährt fort: “ Das, womit andere Völker werfen, wird hier gegessen. Von Maurerhand geformt, groß und mit Soße, unförmig wie Meteorit, schmeckt er (dem Franken) und schlägt genauso ein. Nach mindestens fünf Klößen wird der Franke ruhig, und Friede erfüllt das Haus. Der Kloß selbst kann nichts dafür, daß er dem Franken so ähnlich sieht, aber wenn einem der Franke mitunter wie ein fleischgewordener Kloß erscheint, muß man die Ursache dafür wohl im Kloße suchen. Schon die ganz kleinen Franken rollen einem kloßartig entgegen. Sie werden hier mancherorts mit verdünntem Bier gestillt …“

Bei den  Ostfriesen spielt der Kloß eine derartig große Rolle nicht, dafür sind hier die Ostfriesenwitze ein bekanntes Exportprodukt. Einige Beispiele:

Die Brille

Steht ein Urlauber auf der Ledabrücke, als ein Einheimischer vorbeikommt.

„Können Sie mir helfen, mir ist meine Brille in die Ems gefallen?“

„Das hier ist aber die Leda!“

„Da können Sie mal sehen, wie es ohne Brille ist!“

Rost

„Ward Ihr an der Nordsee? Ihr seid aber braun geworden!“

„Unsinn! Braun? Rost ist das vom ständigen Regen!“

Im Hotel

In einem Hotel an der Küste beschwert sich der Urlauber: „Ich läute nun schon

seit einer Stunde und Sie als Zimmerkellner lassen sich überhaupt nicht blicken!“

„Tut mir leid! Ich habe nichts gehört!“

„Merken Sie sich! Wenn Sie in Zukunft das Läuten nicht hören, sagen Sie mir sofort Bescheid!“

Rumkugeln

Eine junge Dame kommt in ein Süßwarengeschäft: „Ich möchte Rumkugeln!“

„Dagegen haben wir nichts, kugeln Sie nur rum!“

Kein Französisch

Hinnerk will sich einen neuen Wagen kaufen.

„Nimm doch einen Peugeot, die sind günstig!“ rät sein Freund Jan.

„Das geht doch nicht“ meint Hinnerk, „wie soll ich mich mit dem unterhalten?

Ich kann doch kein Französisch!“

Zurück zum Ernst des Lebens, wir sind mittlerweile in Jever, einem Ort, der durch sein international bekanntes Bier von sich reden macht, aber nicht nur dadurch, sondern auch durch sein Schloß, dessen Zwiebelturm von weit her zu erkennen ist. Eine Burg war den Fehden mit den ostfriesischen Häuptlingen zum Opfer gefallen und das schon im 14. Jahrhundert. Ein Jahrhundert später, 1428, wurden die Grundlagen des heutigen Bauwerks gelegt, es handelte sich um eine Wasserburg mit Wehranlagen.. Mit der Regierungszeit Maria von Jevers (1530 bis 1575) wurde die Burg  zu einer Vierflügelanlage und damit Jever zu einer Residenzstadt. Nach dem Tod dieser renommierten Herrscherin fiel die Burg an die Grafen von Oldenburg. Im gleichen Jahr ließ Graf Johann VII. von Oldenburg sein Wappen über dem Schloßeingang anbringen. 1667 übernahm das Anhalt-Zerbster Fürstenhaus die kleine Herrschaft. Im 18. Jahrhundert wurde das Schloß umgebaut. 1793 fiel die Herrschaft Jever an die russische Zarin Katharina II. aus dem Hause Anhalt-Zerbst. Nach der Französischen Revolution fiel Jever dem Herzogtum Oldenburg zu, nach dem Zweiten Weltkrieg fiel der Ort zunächst an den Freistaat Oldenburg und dann 1946 an das neugegründete Bundesland Niedersachsen.

Einige Worte zu Maria von Jever (1500 bis 1575): sie war die Tochter des ostfriesischen Häuptlings Edo Wiemken. Eine Heirat mit einem ostfriesischen Grafensohn kam vertragswidrig nicht zustande. Danach gelang es ihr mit Unterstützung des Kaisers, in Ostfriesland Gebietsansprüche mit diplomatischen und gelegentlich militärischen Mitteln durchzusetzen. Die Residenzstadt Jever befestigte sie, verlieh 1536 die Stadtrechte und wandelte die Burg zum Schloß um. Eindeichungsmaßnahmen dienten der Vermehrung ihrer Einkünfte. Auf wirtschaftlichem Gebiet wurde die Münzprägung intensiviert; zudem förderte sie die Vereinheitlichung von Maßen und Gewichten. Das friesische Recht wurde durch das römische abgelöst. Im Konkreten bedeutete das härtere Bestrafungen. Größere Straftaten konnten nicht durch Geldbußen gesühnt werden. 1530 führte Maria ein Landrecht ein, das auf Kapitalverbrechen verschiedene Arten von Hinrichtungen vorsah – Tod durch Verbrennung, Schwert oder Räderung. Die Gerichtshoheit übte der Landesherr aus. Das Richtschwert von 1582 ist das auffallendste Symbol dieser harten Justiz, der Richtplatz war der Alte Markt.

Die Verwaltung der Stadt wurde bis 1536 von zwei Bürgermeistern geleitet, dann von dreien und neun Oberluden (Ältesten). 1614 wurde dann ein Bürgermeisterposten abgeschafft, seit 1665 gab es einen Bürgermeister und um 1700 nur noch vier Ratsherren.

Wirtschaftlich entwickelte sich Jever als Handelsort nachweislich seit dem 11. Jahrhundert. 1546 wurde Hooksiel der Vorhafen. Die Stadt entwickelte sich im 16. Und 17. Jahrhundert zum Absatz- und Umsatzort für die jeverländische Landwirtschaft. Bedeutend war das Gildeamt für Goldschmiede seit 1551. Neben zahlreichen Mühlen bestanden im 18.Jahrhundert eine Fayencefabrik und eine Tabakfabrik. Schon 1581 ist das Hopfenpflücken bezeugt, seit 1934 wird das Jever Pilsener gebraut. Ein Brauereimuseum gibt Einblick in die Biergeschichte Jevers. Dieses Angebot wird so rege in Anspruch genommen, daß es im Sommer möglich ist, wegen zu großem Andrang auf den nächsten Tag vertröstet zu werden. Vielleicht liegt es ja auch daran, daß jeder Besucher zwei Gläser Bier bekommt.

Christian Schauer, im Juli 2003

Literatur:

Jever kennenlernen, Stadtführer mit Brauereimuseumsführer von Ingo  Hashagen, Jever 1998

Antje Sander-Berke, Peter Schmerenbeck, Das Schloßmuseum Jever, Oldenburg 1997

Nationalparkzentrum Wilhelmshaven, Das Wattenmeerhaus

Evangelisch-lutherische Gemeinde Wilhelmshaven (Hrsg.), Die Christus- und Garnisonkirche

in Wilhelmshaven; Wilhelmshaven 1994

Kosmos Naturführer, Vögel an Strand und Küste

Ernst Müller, De Utrooper`s kleines Buch von Seeräubern in der Nordsee, Rhauderfehn o. J.

Karl-Heinz Bonk, De Utrooper`s kleines Buch von der Geschichte Ostfrieslands, Rhauderfehn o. J.

Ernst Müller (Hrsg.), De Utrooper`s kleines Buch mit ostfriesischen Witzen, Rhauderfehn o. J.

Hooksiel, Horumersiel und Schillig. Meine Urlaubsorte, Rhauderfehn o.J.

Hrsg.: Katholische und evangelische Kirchengemeinden des Wangerlands , Kirchen im Wangerland, Tettens 2003






Mecklenburgische Seenplatte 30.8. bis 6.9.2002


Röbel. Zwei Hallenbacksteinkirchen prägen das Bild dieses Ortes. Die Marienkirche war die erste christliche Kirche Röbels. An ihrer Stelle stand wahrscheinlich ein heidnischer Tempel. Um 800 waren slawische Siedler in Röbel seßhaft geworden. Um 1280 baute die Neustadt, die um 1200 entstanden war, die Kirche Sankt Nikolai. Bis zur Reformation gab es zwei katholische Kirchen in Röbel – die Marienkirche gehörte zum Bistum Schwerin, die Nikolaikirche zum Bistum Havelberg. Seinen Sitz in Röbel hatte auch der Sandprobst (Geschäftsträger) des Klosters Dobbertin. Die Neustadt war von einer Stadtmauer umgeben, die Altstadt war natürlich geschützt. Die Stadtmauer wurde wahrscheinlich im 13. Jahrhundert erbaut und hat eine Länge von 1.600 Metern. Teile von ihr sind noch zu sehen, bei der Sturmflut von 1914 stürzte ein Teil ein. Die Stadttore sind leider nicht erhalten. Für die Verteidigung der Stadt war die gesamte Bürgerschaft zuständig. Im dafür zuständigen Bürgerausschuß waren Vertreter aller Viertel zusammengefaßt. Die Verteidigung erstreckte sich nicht nur auf Mauern und Tore, sondern auch auf Geteidebauflächen. Waffendienst hatten auch die Zünfte zu leisten. Auf dem Mönchteich existierte eine landesherrliche Burg. Hier wurde Unislav von Havelberg 1227 als Burgherr urkundlich erwähnt. Später übten die Fürsten von Werle die Burgherrschaft aus. Ende des 13. Jahrhunderts bewohnte die Fürstinwitwe Sophie Schloß Röbel. Das Schloß ist nicht mehr erhalten. Raubritter aus Brandenburg zerstörten es, danach wurde eine Bockwindmühle errichtet. Ihr folgte im 19. Jahrhundert eine Holländerwindmühle. Ab 1930 bis zur Wende wurde sie als Jugendherberge genutzt. Der Windmühlenberg ist aus dem Stadtbild Röbels nicht weg zu denken.

Die Landwirtschaft nahm großen Raum in der Ackerbürgerschaft ein. Die dafür nötigen Scheunen durften Ende des 17. Jahrhunderts nur außerhalb der Stadt gebaut werden (wegen der Gefahr von Feuersbrünsten). Das Scheunenviertel ist heute noch resteweise erhalten. In Röbel lebten Anfang des 19.Jahrhunderts 74 Ackerbürger. Leider brannte der Speicher in der Bräsigstraße 1996 bis auf die Grundmauern nieder.

Eine relativ kurze Geschichte erlebten de Juden in Röbel etwa von 1700 an. Damals wurde ihnen eine kleines Stück Land zur Pacht als Friedhof überlassen. 1847 hatte die jüdische Gemeinde 12 Mitglieder, 1872 21. Mit dem Eisernen Kreuz wurde der Jude Robert Beyer im Ersten Weltkrieg ausgezeichnet. Seit 1895 wurden Beschädigungen des jüdischen Friedhofs bezeugt. Die eigentliche Judenverfolgung begann 1932. 1937 wurden jüdische Geschäfte auch in Röbel enteignet, die Synagoge wurde zwangsweise verkauft. In den sechziger Jahren wurde das Friedhofsgelände eingeebnet. Vorher wurden noch 1943 die letzten jüdischen Bürger nach Theresienstadt abtransportiert. Heute erinnert noch eine Gebetsnische an die Geschichte der Juden.

Da Geschichte nicht nur aus Haupt – und Staatsaktion besteht, hier ein Original aus Röbel, das im „Arbeiter und Bauernstaat“ durch flotte Assoziationen für Furore sorgte. Karl Lehmann hatte bei einem Unfall auf dem Bahnhof einen Arm vollständig und den anderen halb verloren. Ab 1921 wurde er „städtischer Ausrufer“. Diese Funktion nahm er auch nach der Machtergreifung der Kommunisten 1945 ein. Seine Mehrdeutigkeit gewann er dadurch, daß er Meldungen, die nicht zusammen gehörten, kombinierte: „Die Parteiversammlung fällt heute abend aus, die Schweine werden morgen früh am Bahnhof verladen.“ Diese Meldung führte zu einer Rüge wegen „Verunglimpfung der Partei“. Unbeirrt fuhr Lehmann in seiner letzten Bekanntmachung für die Partei fort: „Die Parteiversammlung fällt heute abend aus, ab morgen sind die Hunde an die Leine zu legen“. An der nächsten Straßenecke folgte dann der Nachsatz: „Is nämlich Tollwut“. Möglicherweise brauchte der eine oder andere Parteigenosse der SED eine derartige Abwechslung, um die Eintönigkeit seiner Existenz zu bändigen.

Wer nach Ankershagen kommt, wird sicherlich zunächst das Schliemann-Museum besuchen, das dem Wirken des bekannten Archäologen gewidmet ist. Der Schatz des Priamos ist in einer Kopie zu sehen, das Original ist in Rußland als Beutekunst geblieben. Die nebenan stehende Kirche wurde 1266 erstmals urkundlich erwähnt. Der ältetste Teil der Kirche ist der Chor mit einem spätromanischen Kuppelgewölbe. Im 15. Jahrhundert wurden in die Langhausmitte Pfeiler eingebaut, die zu einer Teilung des Langhauses führten. Auch in dieser Kirche befindet sich eine Lütkesmüllerorgel wie in der Marienkirche in Röbel. Bemerkenswert sind die Fresken an der Decke des ältesten Teils der Kirche, der Teufel im Triumphbogen und die Weihekreuze an den Wänden. Im Gasthof nahe der Kirche hängen Nachbildungen von Fischen an den Wänden.

Einen Katzensprung von Ankershagen liegt die Stadt Penzlin (3.000 Einwohner) am nordöstlichen Rande des Müritz-Nationalparkes. Aus einer slawischen Siedlung (9. Jahrhundert) entwickelte sich um 1170 eine Burgstadt und 1200 eine Kaufmannsiedlung. Um 1240 vereinigten sich die Burgstadt als Altstadt und die Kaufmannsiedlung als Neustadt. 1292 erhielt Penzlin das Mauerprivileg – heute bestehen noch rund 500 Meter dieser Mauer. Bis 1436 waren die Penzliner dem Fürsten von Werle untertan. Im 15. Jahrhundert begann die Herrschaft der Maltzahns. Sie dauerte etwa 500 Jahre. Feuersbrünste suchten die Stadt im 16., 17. und 18. Jahrhundert heim. Im 30 jährigen Krieg wüteten die Truppen des kaiserlichen Generals Tilly in Penzlin. 1697 und 1708 fanden zwei große Hexenprozesse statt. Hiervon zeugt der gut erhaltene Hexenkeller in der Burg, der in Europa seinesgleichen sucht. Die Hochzeit der Hexenverfolgungen in Mecklenburg waren die Jahre 1663 bis 1675. Hier befahl Herzog Gustav Adolf von Güstrow die Ausrottung aller Hexen. Eine Akte existiert ausschließlich aus der Zeit von 1696 bis 1709. Viele Folterinstrumente der frühen Neuzeit sind ein Zeugnis des Schreckens. Ein Schaudern durchfährt den wißbegierigen Zuschauer. Die Burgküche bietet als Attraktion einen 12 Meter hohen Rauchfangmantel. Als Stadt der Literatur lebt Penzlin von der Tatsache, daß der Schriftsteller Johann Hinrich Voß seine Kindheit in Penzlin verlebte. Anerkennung erwarb sich Ferdinand von Maltzahn, als er 1816 in Penzlin als erster in Mecklenburg die Aufhebung der Leibeigenschaft verkündete.

Der Ort Ludorf hat eine achteckige Kirche aufzuweisen. Der Bau wurde 1346 geweiht. Der Kreuzzugsritter Wipert Morin könnte die Kirche auch 1150 nach dem Vorbild der Grabeskirche erbaut haben – Beweise gibt es dafür nicht. Das Gutshaus Ludorf wurde 1698 errichtet. Die Ritterfamilie Adam Levin von Knut war die Besitzerin. Das Heimatmuseum bietet einen knappen Überblick über das kleine Dorf. Im Zentrum halten sich Schwärme von Singvögeln hörbar zwitschernd auf Bäumen auf. Überdurchschnittlich lang dauert es im Restaurant des Gutshofes, bis das Essen serviert wird. Endlich nach einer Stunde wird die Forelle serviert. Was nun, wenn die Vögel den Hitchcock-Krimi gleichen Namens gesehen haben, auf den hungrigen Esser hernieder stoßen, ihm die Forelle entreißen und mit dieser keck das Weite zu suchen? Nicht auszudenken, welches Ausmaß an Frustrationstoleranz eine abermalige Bestellung nach sich ziehen würde. Aber: ruhig Blut- die Vögel von Ludorf wirken filmisch nicht allzu gebildet. Sie fliegen als Schwarm davon, um nach einer Zeit zurückzukehren. Glückliche Forelle, die im Magen verdaut wird und nicht in einem impertinenten Vogelschnabel dahinschwebt! Also: Vögel bleibt bei euren Leisten, Touristen eßt frohgemut!

Das Residenzschloß Mirow wird zur Zeit restauriert und ist damit leider nicht zu besuchen. Der Johanniterorden als Grundherr wird in Mirow 1227 erwähnt. Der Herr von Rostock hatte ein Jahr zuvor diesem Orden 60 Hufen im Lande Tume geschenkt. Ende des 15. Jahrhunderts hatten die Johanniter ihr Gebiet um Mirow erweitert. Im Westfälischen Frieden kam die Komturei an das Haus Mecklenburg-Schwerin. Später ging das Gebiet an Mecklenburg-Strelitz. Adolf Friedrich II. – Herzog von Mecklenburg-Strelitz – ließ 1704 hier Tabak anbauen. In dieser Zeit entstanden auch eine Färberei, eine Ziegelei, ein Brauhaus und eine Salpeterfabrik. Nach dem Tod des Herzogs erhielt seine Witwe 1709 Mirow als Witwensitz. 1918 nahm sich der letzte Herzog von Mecklenburg-Strelitz, Adolf Friedrich VI., das Leben. Sein Grabmal errichtete man auf der dem Schloß vorgelagerten Friedensinsel. Das Mirower Schloß diente nach dem Ersten Weltkrieg als Offiziersheim für die Wehrmacht, als Lazarett und als Filmkulisse der DEFA-Studios. Große Bekanntheit erreichte auch Sophie Charlotte, Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz, die den englischen König Georg II. ehelichte. In den USA diente die Königinals Namenspatron im Bundesstaat Arizona, als englische Auswanderer „Charlottetown“gründeten.

Wittstock in der Prignitz ist eine Stadt slawischen Ursprungs, die 1150 wahrscheinlich zum ersten Mal erwähnt wurde. Im Jahe 1271 residierte ein Havelberger Bischof in Wittstock. Ihr Ziel war es über Jahrhunderte hinweg die Erweiterung ihres Territoriums nach Osten. 1548 schied der letzte Havelberger Bischof aus dem Leben. Überregionale Bedeutung erreichte Wittstock im Dreißigjährigen Krieg, als 1636 hier eine bedeutende Schlacht stattfand, in der zahlenmäßig unterlegene Schweden die Truppen des Kaisers und Sachsens besiegten – Schweden war damit in diesem Krieg der Beherrscher des Nordens. Durch die Beschreibung in Grimmelshausen „Simplicius Simplicissimus“ wurde die Schlacht weltberühmt. Dort heißt es unter anderem: „Die Erde, deren Gewohnheit ist, die Toten zu bedecken, war damals an selbigem Ort selbst mit Toten überstreut,, welche auf unterschiedliche Manier gezeichnet waren, Köpf lagen dorten, welche ihre natürlichen Herren verloren hatten, und hingegen Leiber, die ihrer Köpfe mangelten; etliche hatten grausam – und jämmerlicher Weis das Ingeweid heraus, und andern war der Kopf zerschmettert und das Hirn zerspritzt… Summa Summarum, da war nichts als ein elender jämmerlicher Anblick.“ Etwa 11.000 Tote soll es gegeben haben. 1638 brach in Wittstock auch die Pest aus. Etwa 1.600 Einwohner starben an der Seuche, dreiviertel der Bevölkerung. Manche Straßen erinnern an diese wichtigen Ereignisse – Banérplatz, Hatzfeldtraße (kaiserlicher General) oder Schwedenstraße. Ein weiteres Desaster war der Stadtbrand von 1716. Wer sich den Vorgängen des Dreißigjährigen Krieges näher widmen will, dem sei empfohlen, das „Museum des Dreißigjährigen Krieges“ zu besuchen, das in der spätmittelaterlichen Bischofsburg zu besuchen ist. Hier werden dem Interessierten auf mehreren Stockwerken viele Einblicke in das 17. Jahrhundert gewährt. Unter anderem kann der Pestfloh unter dem Mikroskop betrachtet werden.

Nicht weit von Wittstock entfernt liegt die Gedenkstätte des Todesmarsches von Häftlingen aus den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Ravensbrück im Belower Wald. Zusätzlich zur Gedenkstätte wurde ein kleines Museum errichtet. Am 23. April 1945 erreichten die Kolonnen des Todesmarsches den Belower Wald. In einem Faltblatt des Museums heißt es dazu: „Rasch spannte die SS Stacheldraht um den Lagerplatz. Bald ist hier mehr als die Hälfte der Evakuierten der Sachsenhausener konzentriert. Auch Frauen aus dem KZ Ravensbrück treibt die SS in das Lager im Belower Wald. Die Häftlinge versuchen, sich durch Laubhütten, Erdhöhlen und Schutzwände vor der Frühjahrskälte zu schützen. Gelegentlich dürfen Feuer angezündet werden. Nur einmal gibt die SS eine geringe Menge Lebensmittel aus… Viele Häftlinge versuchen, mit Gräsern, Kräutern und Rinde ihren Hunger zu stillen. In den wenigen Tagen der Existenz des Lagers im Belower Wald sterben zwischen 700 und 800 Menschen.“ Der Todesmarsch-Überlebende Johannes Dötsch berichtet dazu, nachdem das Internationale Rote Kreuz kurzfristig Verpflegung gebracht hatte: „Dann hob sich der Lebensmut der Menschen rasch wieder. Für viele kam die Hilfe aber zu spät. Morgens kam mancher aus seiner selbst gebauten Hütte nicht mehr hervor und mußte irgendwo im Wald verscharrt werden.“ Gerüchteweise war im KZ Sachsenhausen verbreitet worden, die Häftlinge würden in Schleswig-Holstein auf Schiffe verladen und nach Skandinavien gebracht. Kurz nach dem Besuch dieses Museums wurde es durch einen Brandanschlag am 5. September 2002 mit rechtsradikalem Hintergrund teilweise zerstört. Zudem wurde die Gedenksäule mit SS-Runen, einem Hakenkreuz und antisemitischen Parolen beschmiert.

Auffällig in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, daß im nahegelegenen Wittstock sehr viele NPD-Wahlplakate zum Bundestagswahlkampf zu sehen waren, während in anderen Orten dieser Gegend nur Wahlplakate der im Bundestag vertretenen Parteien registriert wurden.

Güstrows Geschichte ist schon im 8. Jahrhundert nachzuweisen. Die deutsche Einwanderung in das spärlich von Slawen besiedelte Gebiet setzte verstärkt um 1200 ein. 1160 hatte Heinrich der Löwe den wendischen Fürsten Niklot bei der Burg Werle (20 km von Güstrow entfernt) besiegt, um danach dessen Sohn Pribislav die Herrschaft zu übertragen. Diese Tat erwies sich als weitsichtig, beendete sie doch die Feindschaft zwischen Deutschen und Slawen.

Die Siedlung erhielt 1228 das Stadtrecht, zwei Jahre vorher stiftete der wendische Fürst Heinrich Borwin II. den Güstrower Dom. 1556 nahmen die Herzöge von Mecklenburg in Güstrow ihre Residenz, die Güstrower Linie erlischt 1695. Im 19. Jahrhundert erlebt in Güstrow die Zucker- und Holzindustrie einen Aufschwung . Im Zweiten Weltkrieg blieb die Stadt von Zerstörungen weitgehend verschont und genoß in der DDR-Zeit besondere Förderung . Im Güstrower Schloß residierte von 1628 bis 1631 kein Geringerer als Albrecht von Wallenstein. Bekanntestes Kunstwerk im Dom von Güstrow ist die Figur „Die Schwebende“ von Ernst Barlach, der 1910 von Berlin nach Güstrow übersiedelte. 1926 erhielt der Bildhauer und Dichter den Auftrag, ein Ehrenmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Güstrower zu schaffen. Kritik hatten vorher die Gefallenen-Denkmäler Barlachs erregt, die zu wenig Kriegsbegeisterung ausstrahlten. 1937 wird „Die Schwebende“ aus dem Güstrower Dom entfernt und für Rüstungszwecke eingeschmolzen. In diesem Jahr werden die Kunstwerke Barlachs von der NS-Kulturbürokratie als entartet eingestuft, in verschiedenen Städten werden seine Mahnmale entfernt. Im Jahr 1953 bekam der Güstrower Dom wieder eine Abformung der Figur zum Geschenk.

Wredenhagen sticht hervor durch seine Burg, in der die Fürsten von Werle-Waren residierten. Der ehemalige Burghof dient heute als Schule. In der Burg Wredenhagen werden im Sommer Falknervorführungen dargeboten. Diese dienen der Aufklärung über Lebensraum der einheimischen Greifvögel. Die Flugvorführungen im Burggelände sind meistens sehr gut besucht; sie bieten sachkundige Informationen über Milane, Falken, Bussarde, Eulen und Adler. Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 250 Kilometer in der Stunde zeugen von den Wundern der Natur dieser Vögel, die haarscharf an den Köpfen der Besucher vorbeifliegen.

Federow ist das Eingangstor zum Müritznationalpark, der am 1. Oktober 1990 mit einer Fläche von 322 Quadratkilometern östlich der Müritz als solcher ausgewiesen wurde. Flächenmäßig ist er der größte Nationalpark auf deutschem Boden. Der Müritznationalpark bietet einen typischen Ausschnitt aus der Landschaft der Seenplatte mit über hundert Seen, vielen Söllen, Mooren und Brüchen. Das Gebiet besteht zu 72% aus Wald, zu 13% aus Gewässern, zu 8% aus Mooren, zu 5% aus Wiesen und Weiden und nur zu etwa 2% aus Äckern. Es leben hier 800 Menschen in verstreuten Siedlungen, zu denen wenige Straßen und Wege führen. Zum Park gehört ein 12 km langer Wasserstreifen am Ostufer der Müritz. Durch die Schiffbarmachung der Elde vor etwa 200 Jahren entstand durch das Absinken des Wasserspiegels der Müritz wertvoller Naturraum durch das Entstehen von Röhrichten, Mooren und Bruchwäldern. Der Nationalpark weist 240 Vogelarten und 700 verschiedene Farn- und Blütenpflanzen auf. Über 800 Schmetterlings- und Libellenarten bieten eine reiche Artenvielfalt. Berühmt macht den Nationalpark sein Bestand an Seeadlern, Fischadlern und Kranichen. Der im Müritznationalpark anzutreffende Graue Kranich ist bis zu 1,30 m hoch, seine Flügelspanne von 2,20 m gleicht der des Adlers. Bemerkenswert ist seine rote Kopfplatte. Man kann die Vögel vom Frühling bis zum Herbst beobachten. Spektakulär ist das Sammeln der heimischen Tiere und die Rast der nordischen Vögel im Herbst. Der Müritznationalpark bietet einen der bedeutendsten Sammel- und Rastplätze Mitteleuropas. Der Graue Kranich brütet vorwiegend in Deutschland, Skandinavien, dem Baltikum, Polen, der Ukraine, Weißrußland und Russland. Er frißt Larven, Würmer, Schnecken, Insekten, Frösche, Reptilien und Körner aber auch Bohnen, Eicheln, Mais, Kartoffeln und Getreide. Die in dauerhaften Beziehungen lebenden Vögel kehren ab Mitte Februar aus den Winterquartieren in Spanien und Frankreich zurück. Sie brüten meistens in Sumpfwäldern. Sie legen zwei Eier ab Mitte März bis Anfang April. Nach etwa einem Monat schlüpfen die Jungen. Als Nestflüchter müssen sie schon nach ein bis zwei Tagen den Kampf um das Dasein aufnehmen. Wer sich mit Vögeln nicht begnügen will, kann im Nationalpark auch die Hirschbrunst miterleben.

Historisch erlebte das Gebiet im 20. Jahrhundert eine wechselvolle Geschichte. 1934 ließ der Leipziger Unternehmer Kurt Herrmann – ein Freund Görings- eine Verbindung zum „Herrmannsgraben“ in seinem Jagdgebiet anlegen. Im Specker Horst stand das Jagdhaus des früheren DDR-Ministerpräsidenten Willi Stoph mit Schwimmbad und Gewächshäusern. Gelegentlich wurde in den umliegenden Dörfern der Strom abgeschaltet, damit die Gewächshäuser bei Energieknappheit beheizt werden konnten. 1969 wurde das damalige Naturschutzgebiet Müritz dem Ministerpräsidenten zur persönlichen Nutzung als Jagdgebiet übergeben. Es entstanden Gebäude im DDR-Geschmack, die die Jagdhütte des Kurt Herrmann ersetzten. Nach der Wende organisierte das Neue Forum eine „Prozession“ der Bevölkerung zum vorher für die Bevölkerung verbotenem Jagdsitz „Birkenheide“. Viel Bemerkenswertes wurde nicht gefunden – neben einem ausgestopftem Wildschwein, einige Videos aus dem Westen, eine Salbe aus der DDR und Fotos von einem Besuch in Thailand. – Die Jagdleidenschaft der beiden erwähnten Persönlichkeiten bewahrte große Flächen vor jeglicher naturfremder Nutzung. Die letzte DDR-Regierung erklärte das Gebiet zusammen mit dem ehemaligen russischen Truppenübungsplatzam1.Oktober1990 zum Nationalpark.

Auf dem Rückweg kann das Schloß Rheinsberg einen Abstecher lohnen, obwohl es nicht mehr in Mecklenburg liegt, sondern schon in Brandenburg – wie übrigens auch Wittstock. Im 13. Jahrhundert befand sich an der Stelle des heutigen Schlosses eine Wasserburg. Im nächsten Jahrhundert wurde der Ort das erste Mal urkundlich erwähnt. Das Renaissanceschloß in Rheinsberg kaufte Friedrich Wilhelm I. (der Soldatenkönig) für seinen Sohn Friedrich II. . In Rheinsberg entwickelte der Baumeister Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff das friderizianische Rokoko. Friedrich entschloß sich Potsdam zur Sommerresidenz auszubauen. Im Juni 1744 vermachte er das Anwesen seinem Bruder Prinz Heinrich. Dieser Prinz Heinrich war als Diplomat anerkannt. Während des siebenjährigen Krieges beging er nach Einschätzung seines Bruders keinen Fehler. Von Kriegschronisten wird der Sieg Prinz Heinrichs in der Schlacht von Freiberg 1762 als besonders rühmlich angesehen. Ein Hofchronist beschreibt dies so: „Dieser Tag vollendete seinen Ruhm. Der Feind verlor 4.410 Mann, 80 Offiziere, 28 Geschütze und 9 Fahnen; die Preußen 1.300 Mann. Freiberg wurde von den Feinden nicht verteidigt, der Prinz besetzte am Abend nach der Schlacht die Stadt, ohne Widerstand zu finden.“ Danach wurden die kleinen deutschen Fürsten durch Brandschatzungen gezwungen, sich von Österreich loszusagen – dies allerdings war die erklärte Politik König Friedrichs II. .

Wenn man die vielen Sehenswürdigkeiten und Naturschönheiten Revue passieren läßt, wundert es nicht, daß Mecklenburg-Vorpommern im Tourismus eine florierende Branche aufweist. Entgegen dem Bundestrend wächst er weiter. 2001 entfiel jeder dritte Übernachtung in den neuen Bundesländern auf den Nordosten. Im ersten Halbjahr 2002 erzielte das Land mit fast neun Millionen Übernachtungen im Vergleich zum Vorjahr die höchsten Zuwachsraten in Deutschland.

Literatur:
Christiane Petri, Mecklenburgische Seenplatte, Köln 2002 (Dumont Reisetaschenbuch)

Beiträge zur Geschichte der Stadt Röbel/ Müritz
Bund für Natur und Heimat Elde e.V. (Hrsg.)
Heft 1 Sagen, Sitten, Gebräuche und Geschichten aus Röbel,
Heft 3 Was Steine erzählen, Röbel o.J.

W. Böke, Heinrich-Schliemann-Museum Ankershagen, Malchow 2001
Pro Penzlin – Eine Stadt stellt sich vor – Informationsbroschüre anläßlich der Eröffnungsausstellung
„Pro Penzlin“ im Museum Alte Burg Penzlin nach der Sanierung 1991 – 1997
Heide Thal, Residenzschloß Mirow, Mirow 1992

Kulturbund der DDR, Kreisleitung Wittstock (Hrsg.), Wittstock – Ein Wegweiser durch Stadt und Kreis
Heft 1 und Heft 2
Olaf Gründel, Auf den Spuren der Schweden – Der 30 jährige Krieg in der Uckermark, Prenzlau 2000
Museum des Dreißigjährigen Krieges 1618 bis 1648 Museumsführer
Grimmelshausen, Der abenteuerliche Simplicissimus, Frankfurt am Main 1962

Kurt Redmer, Vergeßt dieses Verbrechen nicht! – Der Todesmarsch KZ Sachsenhausen- Schwerin 1945,
Rostock 2000

Christoph Helwig, Der Dom zu Güstrow (DKV-Kunstführer Nr. 413/ 9) Güstrow o.J.
Gerd Baier, Pfarrkirche Güstrow, Regensburg 1999

Müritz Nationalpark – Fischadler und Kraniche bei Federow
Golduhr im Wildschweinbauch, in: FAZ Reiseblatt vom 13.9.2001

Stiftung Preussische Schlösser und Gärten Berlin Brandenburg (Hrsg.), Schloß Rheinsberg,
Potsdam 2001
Friedrich Förster, Prinz Heinrich von Preussen , Neuruppin 2002

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Besuch in der pittoresken Stadt Wetzlar am 22. 8.2002

Man schreibt das Jahr 1486. Auf dem Reichstag zu Frankfurt am Main wird der 26-jährige habsburgische Erzherzog Maximilian zum König gewählt. Wie in diesen Zeiten üblich wird er im selben Jahr zum König gewählt und zwar in Aachen. Als Ziel stellt er sich vor, in Rom zum Kaiser gekrönt zu werden. Und über diesen Maximilian war in der Stadt Wetzlar vom 2. August bis zum 31. Oktober 2002 eine Ausstellung im Reichskammergericht zu sehen, die historisch Interessierte sogar bis in den Kahlgrund anzog.

Die Stadt hat aber nicht nur das Reichskammergericht zu bieten, sondern Goethe, wie er leibte und lebte (!). 1772 traf das deutsche Dichtergenie in Wetzlar ein.. Die Lahn floß damals schon genau so idyllisch durch die Stadt wie heute. Seit 1689/90 war die Stadt Sitz des Reichskammergerichtes. Goethe mußte eben in diesem Gericht ein Praktikum ableisten. Seine innere Spannung kam in dieser Zeit zum Vorschein – war er doch in Charlotte Buff verknallt und sie nicht in ihn. Was blieb ihm anderes übrig, als den „Werther“ (1774) zu schreiben, in dem hoffnungslos Liebende sich zeitlos wiedererkennen können. Schon kurz nach Veröffentlichung dieses Romans strömten ähnlich Frustrierte zu den Schauplätzen des „jugendlichen Leids“.

Nicht unabhängig von Goethes Romanstoff ist das Leben Karl Wilhelm Jerusalems zu sehen, der im Literaturmuseum „Jerusalemhaus“ gewürdigt wird. Dieser Mann setzte seinem Leben Ende Oktober 1772 ein Ende, als er die Geliebte Charlotte Buff nicht für sich gewinnen konnte. Pikant: er erschoß sich mit der Pistole des Verlobten eben dieser Frau. Ist das nicht furchtbar? Hätte Schiller nicht möglicherweise einige Jahre später das Drama „Der Räuber von der Lahn“ daraus gemacht, wenn er von den Ereignissen erfahren hätte?

Ein anderer bedeutender Kopf, der für die Stadt Wetzlar von unschätzbarer Bedeutung ist, ist eben jener Kaiser Maximilian I., der sich 1495 mit den Ständen von Worms auf die Errichtung des Reichskammergerichtes einigte. Maxi- so nennen wir ihn einmal respektlos – war ein Heiratskünstler. Er erheiratete Burgund, scheiterte an der Bretagne und brachte dann den Klops für Habsburg: durch die Heirat seines Sohnes Philipps des Schönen  mit der wahnsinnigen Johanna fällt diesem Geschlecht Spanien und Südamerika zu. Damit bildete sich ein Reich, in dem die Sonne nicht mehr unterging.

Es ging auch damals schon um Geld. Maximilian heiratete zum Beispiel in dritter Ehe Bianca Maria Sforza, die Nichte des Herzogs Ludovico II Moro von Mailand. Es ging ihm um die Mitgift von 300.000 Gulden, mit der Frau hatte er ansonsten nicht viel am Hut. So ein Maxe!

Maximilian kämpfte nicht nur gegen Frankreich, sondern auch gegen Mailand, Ungarn und die Türken. Siegreich war er kaum, lediglich im Landshuter Erbfolgekrieg von 1504 konnte er für Tirol einige Gebiete hinzugewinnen.

1508 kaufte ihm Venedig durch Zahlung des Soldes seine Armee ab, Maximilian mußte die Belagerung von Padua abbrechen und fliehen, um nicht in Gefangenschaft zu geraten. Die Blamage faßte er in die folgenden Worte: „Da fernerhin die Truppen nicht sonderlich geneigt waren, zu kämpfen, hatten wir uns entschlossen, die Belagerung aufzugeben.“ Die Aussage sucht seinesgleichen und hätte vom ehemaligen irakischen Informationsminister Sahhaf auch nicht treffender gemacht werden können.

Maxi ließ sich von Dürer porträtieren, der ältere Cranach illustrierte sein Gebetsbuch und er selbst schilderte seine Brautfahrt zu Maria von Burgund in dem allegorischen Gedicht „Weißkunig“, einem Werk, das mit vielen Holzschnitten von Hans Burgkmair ausgestattet ist.

Die Schulden des Kaisers führten dazu, daß sich 1518 in der Gegend von Innsbruck viele Wirte weigerten, ihn zu bewirten. 1519 starb er dann und wurde in Wiener Neustadt begraben.

Auch wenn keine Ausstellung in Wetzlar zu sehen ist, lohnt es sich, der Stadt Wetzlar einen Besuch abzustatten, man kann durch die Altstadt schlendern, den Dom besuchen, die Hospitalkirche, den Fischmarkt und das in der Nähe gelegene Schloß Braunfels. Da man aber im Gegensatz zu Kaiser Karl V. auf kein Reich zurückgreifen kann, in dem die Sonne nie untergeht, empfiehlt es sich vor Einbruch der Dunkelheit zurückzukehren, um den Bahnhof sicher zu finden.

Christian Schauer

Quellen:

Informationsprospekte der Stadt Wetzlar:  Jerusalemhaus – Der Dom – Hospitalkirche –

Die Museen – Historischer Rundweg in der Altstadt – Auf Goethes Spuren in Wetzlar.

Zu beziehen über: Tourist-Information, Domplatz 8, 35573 Wetzlar

Damals 8/2002 Maximilian I. – Der letzte Ritter

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Brügge an Himmelfahrt 2002

Brügge erlebt seinen folkloristischen Höhepunkt jedes Jahr an Himmelfahrt mit der Heiligblutprozession. Regelmäßig werden mehr als 2.000 aktive Teilnehmer bei diesem touristischen Spektakel aufgeboten. Dargestellt werden Szenen aus dem Alten und Neuen Testament sowie der Geschichte der Stadt. Eine Unzahl von Touristen sorgt dafür, daß man Schwierigkeiten bekommt, den Prozessionsumzug überhaupt vollständigzubestaunen.

Die Stadt rechnet mit mehr als drei Millionen Besuchern in diesem Jahr. Ihnen stehen sechstausend Brügger Familien gegenüber. Da die Altstadt sich auf relativ engem Raum erstreckt, hat man den Eindruck, daß noch mehr Touristen nicht möglich sind.

Daß diese die in überdurchschnittlicher Anzahl vorhandenen Sehenswürdigkeiten auch ordentlich bezahlen, wird durch ein ebenso überdurchschnittlich hohes Preisniveau garantiert. Wer für ein durchschnittliches Pizza zwölf Euro bezahlt, weiß, daß er im Schnitt das Doppelte als am Bayerischen Untermain hinlegen muß. Er erinnert sich an das Brügge des 14. Jahrhunderts, als für die Hansestadt ein goldenes Zeitalter hereinbrach. Der Stapelmarkt für Wolle bot 17 Nationen Vertretungsmöglichkeiten. Kaufleute und Bankiers fühlten sich damals wie heute angezogen. In diesem Jahrhundert faßten auch die Burgunder in Brügge Fuß. Philipp der Kühne pflegte eine äußerst üppige Hofhaltung. Auf die Dauer nutzte ihm das nichts, 1482 kommt Flandern an Habsburg. Kaiser Maximilian hat die Rechnung ohne die Städte gemacht, die sich durch seine Kriege geschädigt fühlen und ihn gefangennehmen – auf Dauer können sie sich nicht durchsetzen.

Berühmt ist Flandern für seine überragenden Maler im 15. Jahrhundert: Rogier van Weyden (1400 bis 1464), Hans Memling, 1433 in Seligenstadt geboren, kam er 1465 nach Brügge und wurde der bekannteste Maler der Stadt, in der er reich wurde und 1494 starb. Eines seiner bekanntesten Bilder ist das „Jüngste Gericht“. Jan van Eyck siedelte 1432 nach Brügge über – eine Ausstellung über sein Werk zieht gegenwärtig ungewöhnlich viele Touristen an. Überdurchschnittlich erwies sich van Eyck als Porträtmaler; er porträtierte unter anderem seine Frau Margareta und den Kanonikus Joris van der Paele. Sein Schüler könnte Petrus Christus gewesen sein, er schuf das Bildnis Isabellas von Portugal.

Die Heiligblutbasilika besteht aus zwei übereinander errichteten Kapellen. Die Sankt Basilius-Kapelle wurde schon 1150 erbaut. In der Oberen Kapelle, die etwa 300 Jahre jünger ist, wird die Reliquie vom heiligen Blut aufbewahrt, die in der oben genannten Prozession feierlich durch die Stadt getragen wird.

Michelangelo hat es sich nicht nehmen lassen, den Einfluß Italiens bis in den Norden zu tragen. Sein Bildnis aus weißem Marmor „Maria mit dem Kinde“ ist in der Liebfrauenkirche zu bewundern. Offenbar konnte er es nicht verwinden, daß ein in Deutschland geborener Maler den südlichsten Einfluß in dieser Stadt haben sollte.

Empfehlenswert ist es auf jeden Fall, mit dem Motorboot über die Grachten zu fahren – hier werden Erinnerungen an Amsterdam wach. Man sollte bei dieser Gelegenheit nicht vergessen, sich warm anzuziehen. Wie die Statistik ausweist, bleibt der Gast im Durchschnitt eineinhalb Tage. Möglicherweise ist er nach der Bootsfahrt auf den Grachten so durchgefroren, daß er spätestens am Tag darauf das Weite sucht. Immerhin lassen sich jährlich mehr als 850.000 Besucher mit dem Boot herumfahren.

Der jetzige Bürgermeister Patrick Moenaert amtiert seit sieben Jahren und hat es geschafft, Brügge zum „Weltkulturerbe“ zu machen und zur Kulturhauptstadt Europas. Mit dem Bau eines neuen Konzertgebäudes ist ihm architektonischer Koloß gelungen, der den romantischen Dreiklang von Liebfrauenkirche, Kathedrale und Belfried beeinträchtigt, was vielen Touristen mißfällt.

Durch den Roman „Bruges-laMorte“ wurde Brügge Ende des letzten Jahrhunderts literarisch berühmt. Der belgische Schriftsteller Georges Rodenbach schrieb ein Meisterwerk der Décadence-Literatur. Durch dieses Werk kam Brügge erneut in den Ruf einer Kunststadt. Im Mittelpunkt der Handlung steht der wohlhabende Hugues Viane, der nach dem Tod seiner Frau nach Brügge heimkehrt. Vom Haarzopf seiner verblichenen Frau kann er sich in seiner neuen Heimat nicht trennen. Seine neue Geliebte wird für ihre Dreistheit mit dem Tode bestraft – er erdrosselt sie mit dem Haarzopf ihrer Vorgängerin. Leider gibt es für diese Handlung noch keine dokumentarischen Theatervorführungen.

Brügge war im 19. Jahrhundert insgesamt eine arme Stadt; seine Einwohnerzahl stagnierte über Jahrhunderte bei etwa 40.000. Heute erweist sich das fehlende Geld für Stadterneuerungen als tourismusfördernd. Das mittelalterliche Stadtbild blieb erhalten.

Pferde haben in Brügge nicht nur bei der Heiligblutprozession ihre Auftritte, man kann sich mit ihnen auch vergleichbar wie in Wien durch die Stadt fahren lassen. Während sie bei der Prozession ihre Äpfel auf den Asphalt fallen lassen dürfen, werden sie als Kutschpferde durch spezielle Behältnisse daran gehindert, dies zu tun. Der interessierte Betrachter ist dann durch vorbeifahrenden Kutschen mit intensiven Duftmarken konfrontiert. Zur Streitfrage kann es werden, ob der Kutschentourist diese Duftmarken weniger intensiv riecht als der Passant auf der Straße – wahrscheinlich müssen hier windklimatologische Berechnungen angestellt werden, um dies zu klären. Für Tourismusforscher bieten sich hier noch Themen für stadtpolitische Abhandlungen, z.B.: „Der Einfluß des Geruchs der Pferdeäpfel auf das Wohlbefinden der Touristen“

Literatur:

Brügge – Eine Übersicht geschichtlicher Ereignisse (Internetangebot der Stadt Brügge)

Detlev Arens, Flandern: Das flämische Belgien: Die einzigartige Städtelandschaft um
Brügge, Gent und Antwerpen, Köln 1997

Ganz Brügge, Barcelona o. J., (Bildband aus der „Reihe ganz Europa“)

Flandern – Antwerpen. Brügge. Gent , Ostfildern 1999 (Marco Polo Führer)

Brügge sehen heißt Staunen, in: FAZ vom 14.3.2002